BibimBlog

Es erklang die Stimme des Dalai Lama: komm' Sie rein – könn′ Sie rauskucken!

Mit Religion, bzw. “Religoion”, wie es auf meinem Schulheft der 3. Klasse stand, habe ich ungefähr seit meinem 14. Lebensjahr nichts mehr am Hut. Im Konfirmationsunterricht damals musste ich soviel Bibelkram (auswendig) lernen, dass ich begann, das alles mal zu hinterfragen und zum Ergebnis kam: This does not compute for me. Die Geschenke, es gab von vielen aus dem Dorf einen Umschlag mit nem 10-Mark-Schein drin und von den Eltern eine Stereoanlage mit CD Player, Radio und Doppelkassettendeck, nahm ich natürlich trotzdem gerne an. Heuchler! Neidischer konnte man nur auf die katholischen Kinder blicken, da gabs das Spektakel gleich zweimal, zur Kommunion und zur Firmung, also doppelt abgreifen. Augen auf bei der Religionswahl!

Nach vielen Jahren, in denen ich gepredigt habe, wie dumm Religionen im allgemeinen sind, bin ich mittlerweile etwas altersmilde geworden. Ich bin weiterhin der Meinung, dass das meiste Leid auf dieser Welt direkt oder auch indirekt durch Religionen ausgelöst wird, kann aber mittlerweile nachvollziehen, dass es Menschen gibt, denen Spiritualität einen gewissen Halt gibt.

Warum man dann aber nicht hinterfragt, warum die ganzen Viecher denn jetzt gemeinsam in eine Arche reingequetscht werden mussten, weil irgendein beleidigter-Leberwurst Gott in seinem Anger-Management Seminar nicht aufgepasst hat und daher seine Macht zum Fluten des Planeten missbraucht hat, verstehe ich leider weiterhin nicht. Ich schweife ab und werde garstig; das wollte ich doch eigentlich gar nicht, man kriegt es aber einfach nicht aus mir heraus. Nochmal, wirklich ganz unironisch: Ich respektiere Deinen Glauben, nur verstehen kann ich ihn leider nicht.

Immerhin weiss man dank der weltweit gleichen Corporate Identity sofort, wer einem hier das ewige Leben verkauft. Hosianna!

Eine der wenigen Religionen, bei denen ich wenigstens ein paar Haken auf der “erschließt sich mir logisch” Seite machen kann (primär wegen der Meditation) ist der Buddhismus. Die anderen, die mir mal einen Nachmittag lang in Haifa einen ganz guten Sales Pitch ausgebreitet haben, waren die Bahai. Deren Story klang eigentlich ziemlich love-and-peace-and-harmony mäßig, aber ich glaube, da fehlen mir die Details.

Also Buddhismus und hier in Korea gibt es praktischerweise einige Tempel, die Templestays anbieten. Von “ich-will-mir-das-nur-mal-anschauen” zu “ich-spreche-3-Wochen-kein-Wort-und-bete-und-meditiere-nur” gibts ganz viele verschiedene Möglichkeiten, Buddhismus zu erleben. Ich hab mich für das 1-Tages-Relax-Programm angemeldet, um mal kurz die Comfort-Zone zu verlassen, aber mich auch nicht allzu weit davon zu entfernen. Der Tempel, für den ich mich entschieden habe, ist der Beomeosa Tempel (also der Tempel des Nirvana Fisches!) im Norden Busans.

Also bin ich gestern, nachdem ich mich mit einem Bulgogi-Käse-Bibimbap gestärkt hatte, zur letzten Haltestelle meiner U-Bahn Linie gefahren, dort in Bus Nummer 90 eingestiegen und an der Haltestelle Beomeosa Museum ausgestiegen.

Bus Nummer 90 und ich. Außer mir und 2 älteren Herrschaften mit Wanderausrüstung wollte keiner hoch in die Berge.

Hier oben am Berg hat mich der Bus ausgespuckt.

Gefunden! In diesem wunderschönen Gebäude habe ich dann auch die Nacht verbracht.

Hier nochmal die Idee hinter dem Templestay Programm.

Am Check-In habe ich meine 70000 Won (50€) für Übernachtung, Essen etc. bezahlt und mein Bettzeug in die Hand gedrückt bekommen. Ebenfalls habe ich mein Tempel-Outfit, also Hose und Weste erhalten und ein Meditationsbuch mit der Aufschrift “Must return!!!!!!!”.

Das Programm für die nächsten Stunden.

Zu meiner großen Freude hatte ich ein Zimmer für mich alleine. Wie ich später erfahren habe, nehmen im Sommer bis zu 40 Teilnehmer pro Tag/Nacht an dem Programm teil, dann schlafen 3-4 Leute, nach Geschlechtern getrennt, in einem Raum. Spoiler: Ich habe in der Nacht jede Bewegung aus dem Nachbarzimmer hören können. Ich glaube mit mehr Leuten im Zimmer hätte ich gar nicht geschlafen.

So spartanisch sieht das dann im Inneren aus. Zum Schlafen legt man sich ein Futon auf den beheizten Boden, das nennt sich Ondol. Wird auch manchmal in Hotels angeboten, da habe ich darauf aber bisher immer gerne verzichtet. Die Futons meiner nicht vorhandenen Mitbewohner habe ich aufeinander gestapelt und daraus mein Bett gebastelt. Das macht man sicher nicht, aber dafür konnte ich am Morgen ohne gebrochene Wirbelsäule wieder aufstehen.

Modisch mindestens fragwürdig aber auch nicht viel schlimmer als mein normales Outfit.

Also los gehts, zur mandatory orientation. Dort waren wir zu dritt, 2 Schwestern aus Los Angeles/Hong Kong und ich. Die koreanische Orientation hatte zuvor, ebenfalls mir 3 TeilnehmerInnen, stattgefunden. Gezeigt wurde auf dem vollkommen unscharf eingestellten Projektor (sowas macht mich immer kirre) ein Film über Tempeletikette; wie man sich verneigt, wie man betet, wie man einfach mal die Klappe hält und wie man ehrfurchtsvoll über das Gelände schreitet. Gerade beim Beten, also wie oft man sich vor wem, wann und wie verneigt um anschließend auf die Knie zu gehen und wieder aufzustehen konnte ich mir gar nicht merken. Der beste Tipp war: Mach einfach was die anderen machen. Ich beschloss, mich stets zu bemühen aber für nichts zu garantieren.

Eigentlich los ging’s mit der Walking Tour, da wurde mir direkt ein Problem an diesem Temple Stay klar: Der eigentliche Tempel war 20 Minuten Fußweg von unserer Unterkunft entfernt. Der Weg durch den Wald war zwar wunderschön, aber “mal schnell” auf das Gelände war nicht möglich. Ich vermute, dass das erst vor kurzem geändert wurde, da viele Berichte, die ich über diesen Tempel gefunden hatte davon erzählten, wie praktisch es ist, mittendrin zu sein. Aber alles kein Drama.

Am ersten von 3 Eingangstoren, die nette Dame ist war mein Tourguide. Sie hatte viel zu erzählen, leider war ihr Englisch nicht das Beste und so habe ich einige Dinge leider nicht verstehen können. Ich war so mit Zuhören beschäftigt, dass ich keine ordentlichen Photos gemacht habe. Aber Teil der Idee war ja, im hier-und-jetzt zu sein und eben nicht durchgehend aufs Handy oder durch die Kamera zu schauen.

Ende der Einführungstour. Verrückt, wie ich einfach nicht auffalle! Blend in!

Zurück zum Templestay Gebäude, wo wir unser Abendessen in einer wenig besinnlichen, bahnhofsähnlichen Halle gereicht bekamen. Spätestens hier wurde klar, dass die ganze Veranstaltung auf deutlich mehr Teilnehmer ausgelegt ist. Während des Essens sollte nicht gesprochen werden und es durfte nichts auf dem Teller übrig bleiben. Einer der Mitarbeiter, der auch hier aß, war weniger mindful mit seinem Handy beschäftigt und verschickte offensichtlich Sprachnachrichten. Unserer Teller mussten wir, trotz der großen Industriespülmaschine in der Küche, selbst abwaschen. Wenn das meiner Erleuchtung dienlich ist, sag ich aber natürlich nicht nein!

Wenig spektakulär, aber darum gehts ja! Einer der wenigen Orte in Korea wo eine vegetarische bzw. sogar vegane Ernährung möglich ist. Der Kimchi war der Beste, den ich bisher gegessen habe. Es gab von Allem natürlich noch mehr, aber dank meines opulenten Mittagessens war ich sowieso nicht besonders hungrig.

Nach dem Abendessen sind wir zurück zum Tempel gelaufen um der Zeremonie der 4 Dharma Instrumente beizuwohnen. Es geht, wenn ich das kapiert habe, darum, alle Kreaturen zu “befreien”. Die auf der Erde, die im Himmel und der Hölle (mit der Hölle ist wohl unser jetziges Dasein gemeint, herzlichen Glückwunsch dazu!) sowie die im Wasser und im Himmel. Dazu trommeln 2 Mönche abwechselnd auf die große Trommel, den Holzfisch (den würde ich mir sofort auch in die Wohnung hängen), den Wolkengong und eine große Glocke.

Die Ästhetik von der ganzen Zeremonie ist wunderschön. Als ich das Bild gerade exportiert habe, musste ich 2 Mal schauen, ob das nicht aus versehen ein Gemälde ist, dass ich fotografiert habe. Wobei, auf Gemälden haben Mönche selten FFP2 Masken auf.

Der Mönch rechts ist mit dem Klöppeln des Wolkengongs beschäftigt, der links ist gerade mit der Bearbeitung des Fisches über ihm fertig geworden.

Von dem, was als nächstes passiert ist habe ich keine Bilder, da es hier aus offensichtlichen Gründen fotografieren nicht gerne gesehen ist. Ich nenne es einfach mal “Abendandacht”. Schuhe ausziehen, Kissen schnappen und ab in die große Buddha Halle, wo uns ein Mönch sowie ein paar andere Gläubige begrüßten. Der goldene Buddha ganz rechts, vor dem ich mein Kissen auslegte, hatte einen süffisanten Gesichtsausdruck, der mich wissen ließ, dass ihm klar ist, dass ich keine Ahnung von dem habe, was jetzt passiert. „Klar Mann, der ist erleuchtet, der weiß alles, shit!“ dachte ich mir. Der Mönch sprach ein paar Worte der Begrüßung und teile… öhh… Gebetbücher? aus. Die waren in Hangul geschrieben, von oben nach unten sowie die Seiten von hinten nach vorne. Passt! Eine meiner koreanischen Mitstreiterinnen, die auch keine Ahnung hatte was abgeht, öffnete mir netterweise wenigstens die richtige Seite. Der Mönch begann, mit dem staccatoartig lesen der Silben im Buch, dabei schlug er 2 Hölzer gegeneinander. Alle lasen laut mit und waren ca. 3 Seiten weiter, als ich den ersten Block zu „HAN“ übersetzt hatte. Immer wieder verneigten wir uns in verschiedene Richtungen, beteten auf dem Boden, alles immer in verschiedene Richtungen. Meine Rettung dabei war meine Nachbarin. Wir haben uns immer wieder verschworen angegrinst und haben über alle Sprachbarrieren hinweg gemeinsam festgestellt, dass wir beide nur das nachmachen, was um uns herum passiert. Als ob ich nicht eh schon vollkommen mit der Situation überfordert gewesen wäre, rutschte mir auch bei jedem hinknien die schicke Tempel-Hose runter und riss dabei meine Wanderhose, die ich darunter trug (es war bitter kalt!) mit sich. Also musste ich auch noch irgendwie managen, dass die armen Gläubigen hinter mir nicht ständig Teile meines nacktes Hinterteils anschauen mussten.

Nach ca 1 Stunde war dann alles vorbei, am Ende gab es noch ein Q&A mit dem Mönch (natürlich koreanisch). Er sagt noch auf deutsch „Guten Tag“ zu mir gab mir einen Daumen hoch für den Versuch, ihm nachzutanzen.

Zurück zur Unterkunft durch den nächtlichen Bambuswald. Wir überlegen gemeinsam, ob man denn nun um 4 Uhr nachts aufstehen sollte um sich die Show nochmal anzuschauen.

Ich habe es, wie fast alle Anderen auch, nicht geschafft aufzustehen, ich lag aber auch noch bis 00:00 wach.

Frühstücke gibts bei mir eh äußerst selten (Intervallfasten und so), aber Kimchi um 7:00 Uhr früh ist mir eh in bisschen too much. So stand ich also mit meiner Wasserflasche in der Hand draußen und bewunderte den Sonnenaufgang, als der einzige männliche Teilnehmer außer mir, der bisher bei allen Aktivitäten mit Abwesenheit geglänzt hatte, auf mich zu kam: “Mister, Mister! Kopi? Kopi?? Kopi??? Kopi?????? Let’s go Kopi!!!” Kaffee! Der Mann hat recht! Die Sucht will befriedigt werden und Kimichi mit Reis und Wasser hat nunmal kein Koffein!

Direkt unten am Parkplatz hatte ich doch ein Kaffeeladen gesehen, also auf da hin und Kaffee holen! Ich sagte ihm, dass ich noch schnell meinen Geldbeutel holen würde und wir dann losgehen können. Als ich zurück kam, stand er neben seinem Auto und erklärte mir, dass hier oben noch kein Kaffeeladen offen hätte und wir runter in die Stadt fahren müssten. Eigentlich war mir das zu weit und ich wollte doch noch schicke Tempel-Fotos machen… andererseits war die Aussicht auf menschliche Interaktion und Kaffee zu verlockend. So stieg ich ein und wir versuchten uns irgendwie zu unterhalten. Ich verstand, dass er für SK-Hynix arbeitet (als IT-Onkel kennt man die, großer Hersteller von Speicherchips) und er verstand nicht, dass ich gerade einfach so in Korea bin, weil ich da Bock drauf habe. So fuhren wir 10-15 Minuten an geschlossenen Läden vorbei, bis er einen Geistesblitz hatte. “Paribang! Paribang!! Paribang!!! Paribang open, Mister!!!” Ich hatte keine Ahnung was er meinte, sein Navigationssystem aber durchaus, denn auf den Zuruf von “Paribang” startete es eine Routenführung. Als wir dann an einer Filiale von “Paris Baguette”, eine der größten Kaffeeläden-Ketten Südkoreas ankamen, brach ich innerlich vor Lachen fast zusammen . Meine nun folgende Erklärung entstanden durch gefährliches halbgoogeln: Die Kette hieß mal Paris Croissant. Daraus wurde auf koreanisch sowas ähnliches wie “Paribang”. Und so sagt man wohl immer noch dazu. Ich könnte damit aber auch vollkommen falsch liegen.

Mit dem Tesla vom Tempel zu Paribang. Meine Smalltalk-Versuche u.a. zum Thema “ich-hab-auch-ein-Model-3-aber-Elon-Musk-ist-ein-Riesenarschloch” schlugen fehl.

Aus Authentizitätsgründen schreibe ich diese Zeilen in einem Paribang. Einfach genau wie in Paris, Zwinkersmiley!

Also Americano, hot, für alle eingepackt und zurück zum Tempel. Ich konnte gerade noch meinen Kaffee leer trinken bis der letzte Programmpunkt, die Meditation, losging.

Links die Nonne, die die Meditation begleitete. In der Mitte der Projektor mit dem schrecklichen Bild. Rechts mein Übersetzer, ein sehr wichtiger Mann!

Meditiert habe ich in der Vergangenheit schon öfter, so war mir nicht ganz fremd, was jetzt gleich passieren würde. Nachdem mir mitgeteilt wurde, dass ich mich als westlicher Besucher gerne bequem hinsetzen durfte, weil ich das ja sicher nicht gewöhnt sei, auf dem Boden zu sitzen, wechselte ich entspannt in den Lotussitz, was mit großer Verwunderung quittiert wurde. Show-off! Also meditierten wir gemeinsam 30 Minuten, klassisches Ein-/Ausatmen mit Geplätscher aus der JBL-Box. Und es tat wirklich gut! Meditation ist eine Technik, deren Sinn sich mir voll erschließt und die ich in Zukunft wieder öfter anwenden möchte.

Das war der letzte Programmpunkt, Jetzt noch das Zimmer aufräumen und die Klamotten abgeben. Der Hynix-Tesla-Paribang-Mann, bei dem ich weiterhin keine Ahnung habe, was er da überhaupt gemacht hat, fuhr mich dann netterweise noch zur nächsten U-Bahn Haltestelle und plötzlich war ich wieder mitten in der aufgeregten Großstadt.

Was ist mein Fazit daraus? Das kann man gut mal machen! Die große Erleuchtung ist wie zu erwarten war nicht über mich gekommen und vielleicht hätte ich ein Programm mit mehr Action buchen sollen, so war das wirklich nur ein sehr oberflächlicher Einblick, der nichtsdestotrotz sehr spannend war. Zur Hochsaison mit 40 anderen Midlife-Crisis geplagten Christians, Sabines, Martins, Michaels und Katrins würde ich das nicht machen wollen. So aber gebe ich 3 ½ von 5 Dharma Instrumenten. „Aber es sind doch nur 4!“ Jaja, weiß ich doch.

Gooooooooooooooong!

Hier könnte ein schlauer Spruch mit dem Thema “lange Schatten im Tempel werfen” stehen.

Wenn ich doch nochmal ein Haus baue in diesem Leben, hätte ich gerne so ein Dach.


Lyrics: 5 Sterne Deluxe – Nirvana

Und da wären noch so viele andere Textstellen drin, die ich hätte verwursten können.

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