Fire and Ice – now it’s one on one
Angefangenes endlich zu Ende bringen! Gilt insbesondere für diesen konfusen Blogeintrag, den ich bereits im Hochsommer 2023 begonnen hatte und der dann irgendwie in Vergessenheit geraten war. Im Dezember während meiner 2. Corona-Infektion in Regensburg habe ich ihn dann beim Rechner aufräumen wieder gefunden, aber mein Matsch-Hirn war nicht in der Lage ihn zu vollenden. Jetzt, pünktlich zum Ende der Skisaison 2024, nach vielen Stunden in Skiliften und auf der Piste wird es Zeit, das Problemfeld Wintersport zu beackern.
Skilehrer der Skischule Sudelfeld showing his tricks, irgendwann in den 80ern.
August 2023 und mir ist zu warm. Als ich am Nachmittag komplett durchgeschwitzt aus einem komatösen 10 Minuten Powernap erwachte, hatte ich die Zeile aus der Überschrift im Kopf, die sich, Raupe-Nimmersatt-Style, seit den 80ern immer mal wieder durch meinen Kopf fräst. Und dieses Mal habe ich, noch schlaftrunken, mein iPhone in die Hand genommen und die Lyrics gegoogelt. Ich wusste noch, dass das Ding aus dem Film „Feuer und Eis“, einem mehr-80er-Klischee-geht-nun-wirklich-nicht Willie Bogner Skifilm aus dem Jahr 1986 stammt. Verschiedene Ski- und Snowboard Stunts wurden durch eine komplett schwachsinnige Rahmenhandlung zu einem Film verwoben. Even crazier: Es gibt einen zweiten Teil, “Feuer, Eis und Dynamit”, in dem, of all people, Roger Moore mitspielt. Das war einer der ersten Filme, den ich im Kino gesehen habe. Gleichzeitig auch der schlechteste. Okay, ich habe Top Gun noch nie gesehen, der ist vermutlich noch schlimmer.
Aber weder, dass das Titellied gesungen von Marietta Waters (who?) eigentlich kein großer Hit war, noch, dass der Film wohl ziemlich in Vergessenheit geraten ist, waren mir bewusst. Verschiedene legale aber auch illegale Quellen hatten das Ding zur erweiterteren Recherche leider auch nicht in brauchbarer Qualität verfügbar (als Pixelhaufen gibt es den kompletten Streifen auf Youtube), daher habe ich mich mit dem Musikvideo und ein paar Ausschnitten zufrieden gegeben – ist recht würdelos gealtert, aber das ist das Skifahren ja im Allgemeinen.
Glücklich auf dem “Top of Europe”.
Im Hochsommer fehlt mir Schnee naturgemäß am Meisten. Während die meisten meiner Mitmenschen gefallen daran finden, sich auf Sonnenliegen am Strand oder Pool Verbrennungen dritten Grades zuzufügen, mache ich das lieber auf dem Gletscher. Geht schneller und ist effizienter. Zwischen dem Bild oben und dem unten liegen keine 24 Stunden, einfach auf 3,463 Höhenmetern die Sonnencreme weglassen. Menschen sind so dumme Tiere.
Jetzt eher unglücklich.
Meine Eltern haben mich auf Skier gestellt, seit dem ich laufen konnte. Vielleicht sogar früher. Skifahren entwickelte sich so zur einzigen Sportart, in der ich irgendwann so etwas ähnliches wie Ehrgeiz entwickelt habe und auch Bock drauf hatte. Alle Jungs haben Fußball gespielt und ich Sega Master System. Nerd-Boy.
Trotz grenzdebilem Gesichtsausdruck ist mir die Begeisterung anzusehen. (Bayrischzell, frühe 80er.)
Spätere 80er in Laax: Das modisch gnadenlose Jahrzehnt schlägt zu. Heute trägt man solche Outfits zum “Gaper Day” am Saisonende habe ich dieses Jahr gelernt.
Auch Laax. Viele Stunden hat man da mit Anstehen an der Großgondel verbracht, Menschen lieben Herden, einfach dumm. Es gab Fernseher, auf denen Tom und Jerry in Endlosschleife lief, dazwischen Ovomaltine-Werbung. Als Kind speichert man wichtige Infos für immer ab.
Familien-Urlaube haben wir in den Bergen verbracht, mein Vater hatte eine ausgeprägte Abneigung gegen das Meer. Im Sommer hat mich das ab einem gewissen Alter massiv genervt (Wandern. Mit den Eltern. Als Teenager. Geil.), aber auf die Winterurlaube freute ich mich immer. Wie hardcore-privilegiert ich damit war fiel mir damals natürlich noch nicht auf, ich ging davon aus, dass alle Kinder das Anrecht auf mindestens eine Woche Skiurlaub im Jahr hatten, eigentlich aber eher 2-3.
Im Schulsport war ich eine komplette Null, aber mein Alt-Nazi-Sportlehrer, der uns nach „zu klein“ und „zu fett“ kategorisierte und uns erklärte, dass wir, wenn er denn mit uns fertig ist, flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl wären, muss einen ziemlichen Schreck bekommen haben, als eines der Kinder, die er doch immer am liebsten quälte im Schul-Skikurs ultra-entspannt den Berg runter-wedelte. Gruppe 1, motherfucker! Und das Hitler-Zitat hat er echt so gebracht, I swear.
In den späteren 90ern waren Eltern und Skifahren natürlich zu uncool geworden und ich stieg aufs Snowboarden mit der Clique um. Der Schwester eines Freundes habe ich während einer Jugendfreizeit in Österreich am Einstieg zum Schlepplift klar mitgeteilt, dass ich nicht mit Skifahrern Lift fahre¹. Diese arrogante Aussage war meine erste Konversation mit ihr und trotzdem hat sie mich ein paar Jahre später geheiratet. True Story.
Spätestens als wir Ende der 00er-Jahre nach München gezogen sind hiess es „no friends on power days“. Aus familiären Gründen war es mir nun möglich, recht kostenneutral in der Nähe einiger großer österreichischer Skigebiete zu übernachten und so wurde ich Gründungsmitglied der NGSSP – Neigungsgruppe Saisonskipass. Die Rechnung war, dass der Pass sich so nach ca. 12 Skitagen amortisiert, also wurde jede freie Minute auf der Piste verbracht. Mit Anfang 30 war ich dann auch wieder alt genug um ab und zu uncool Ski zu fahren und ballerte ab jetzt mit Race-Carvern viel zu schnell die Piste runter. 95 km/h auf 2 Holzlatten, die nächste große Dummheit. Unter der Woche haben wir uns nach der Arbeit dann manchmal noch ins Auto gesetzt um mit Tourenskiern und Stirnlampe irgendeinen der Münchner Hausberge hochzugehen.
Anfang der 2020er habe ich große Teile der Corona-Lockdowns in einem menschenleeren Skigebiet verbracht, in dem die ganze Ski- und Touristenmaschine auf Standby war. Also kam zum Abfahrtsski, den Tourenskiern und dem Snowboard noch der Langlauf-Ski hinzu.
Im Lockdown 2021. Tourenski und Langlaufski auf Touri-freien Bergen.
Bis auf Monoski, Ski-Ballet und Telemark hab ich damit das Meiste durch, was man sich irgendwie im Schnee an die Füße schnallen kann. Viele Verlinkungen die ich im Text mache klickst Du eh nicht an, aber der Ski-Ballet-Link lohnt sich wirklich! Das war echt mal eine olympische Disziplin in den 80er Jahren eines Paralleluniversums!
Verletzungen habe ich mir eher beim Boarden zugezogen: Einmal habe ich eine Rippe auf einer steinharten Eisplatte gebrochen und dann irgendwann noch das Steißbein. An letzter Verletzung werde ich wohl für immer erinnert werden; immer wenn ich zu lange sitze (also mehr als 10 Minuten) lässt mich mein Hinterteil wissen, dass ich damals wohl besser nicht über den kleinen Kicker gesprungen wäre. Ausserdem musste ich monatelang auf einen aufblasbaren Donut sitzen und das ist genauso ehrlos, wie es sich anhört Brudi.
Und jetzt, 2024? Skifahren ist ein Hobby, das sich die Wenigsten noch leisten können. In Garmisch kostet der Tagesskipass um die 60€ und damit ist er noch günstig. Der Saisonpass ist mit 450€ sogar vergleichsweise richtig preiswert und da wir gerade 3 Monate hier gewohnt haben, war das ein ziemlicher no-brainer.
Leider unterstüzte ich durch meinen Kauf dieser Flatrate einen Wahnsinn aus Energie- und Wasser-Verschwendung durch die künstlicher Beschneiung. Wer mal im Sommer in einem Skigebiet wandern gegangen ist, hat sicher die Narben gesehen, die wir durch Speicherseen, Liftanlagen, gerodeten Bäumen und den restlichen Massentourismus in der Natur hinterlassen. Mir würde es ja reichen, wenn man Skifahren kann, wenn (natürlicher) Schnee liegt, aber das rechnet sich nicht mehr für die Liftbetreiber. Außerdem wollen die wenigeren, aber dafür deutlich zahlungsfähigen Gäste, die es noch gibt ordentlich bespasst werden. Entweder beim Ballermann-Aprés-Ski (bei welchem anderen Sport ist es eigentlich normal, dass man um 9:00 Uhr früh anfängt zu saufen?) oder halt bei einem exklusiven Gläschen Champagner auf 3000 Höhenmetern wo man die 5000€-Bogner Ski zeigt. Skifahren muss man dafür eh nicht mehr können und der Egoismus eines SUV-geprägten Straßenverkehrs ist 1:1 umsetzbar auf die Skipiste. Canyonero! Canyonero!
Hier schneits, obwohl es nicht schneit.
Die Ausmaße dieses künstlichen Schneeberges waren gigantisch und schwer zu fotografieren. Im Februar wurde damit dann die Talabfahrt so lange wie möglich präpariert, als es viel zu warm war. Das Kkandahar-Rennen der Damen konnte trozdem aus Schneemangel im Februar nicht mehr stattfinden.
Februar. Alles ist falsch an diesem Anblick.
Natur pur.
Mit voranschreitendem Klimawandel ist Skifahren sowas ähnliches wie der Inlandsflug, das 1€-Nackensteak oder das Saxophon-Solo in einem Pop Hit geworden: In den 80ern das normalste der Welt, aber heute nicht mehr zeitgemäß. Ich bin mir recht sicher, dass diese Saison die letzte sein wird, in der ich die Wintersport-Maschine so fleissig gefüttert habe. Insbesondere, da ich Alternativen im Schnee gefunden habe, die gesünder, günstiger und besser für die Umwelt sind: Touren-gehen und Langlauf. Vielleicht wird es auch an einem echt schönen Tag mal wieder ein Skipass für die Piste. Aber dann eben selektiver. Hätte ich Kinder, würde ich ihnen das Skifahren wahrscheinlich nicht beibringen, ich sehe keine Zukunft darin.
Im Skikurs hat meine Skilehrerin Heidi zur Verabschiedung den linken Ski in den Schnee gesteckt und 3 mal “Ski…” gerufen. Die Kinder haben “Heil!” zurückgebrüllt. Noch was, was irgendwie schlecht gealtert ist.
Wunderschön ist’s halt trotzdem im Schnee.
¹Eigentlich war das ja nett gemeint. Ich war noch so wackelig auf dem Board gestanden, dass ich immer alleine gefahren bin um meine MitfahrerInnen nicht unabsichtlich aus dem Schlepplift zu schubsen. Kam aber nicht so an.
Lyrics: Marietta – Fire and Ice