Who’s hungry?
Heute soll’s um ein Thema gehen, über das man auch problemlos schreiben kann, wenn die Welt um einen herum am Untergehen ist: Essen und im Weiteren dann um den sagenhaften Bibimbap, dem das Blog seinen Namen geklaut hat.
Ich habe mich bis Mitte 30 hauptsächlich von Dreck ernährt. „Gut muss es net sein, Hauptsache viel“ ist ein teil-ironischer Spruch aus meiner fränkischen Heimat, der leider oft wirklich gelebt wird.
Meine Großeltern fuhren jeden Sonntag mit ihren Freunden in den Steigerwald (proudly not a bayerischer Nationalpark, weil Freie Wähler, CSU und sonstige Dummbatzen es verhindern), wo es beim Georch (fränkisch für Georg, manchmal auch Schorsch genannt) die größten Schnitzel mit Kartoffelsalat der Welt gab.
Präsentiert wurde dieses auf Fächertellern (gibt’s die noch in den Kantinen deutscher Großindustrie?), auf denen das halbe Schwein im Teigmantel mindestens zur Hälfte über den Tellerrand hinausragen musste. Für normale Menschen unmöglich in einer Sitzung essbar, kam mit der Bestellung direkt die Alufolie an den Tisch, in die die Reste eingewickelt und im Falle meiner Oma in der Handtasche (!) versenkt wurden. Stolz wurde das folierte Fleischstück dann anschließend beim Sonntagskaffee mit meinen Eltern aus der Tasche gezerrt und wie eine Trophäe präsentiert. Unbeeindruckt trank ich währenddessen meinen Kakao, a.k.a. Milch mit Zucker und Farbstoffen und aß den fantastischen selbst gebackenen Kuchen meiner Oma.
Oma und Opa haben den 2. Weltkrieg und die Nahrungsknappheit währenddessen und danach mitgemacht; vielleicht hat sie es daher einfach mega geschickt, dass Essen, insbesondere Fleisch, jetzt in schier unendlich erscheinenden Mengen zur Verfügung stand und man mitnehmen musste, was ging. Vielleicht war aber auch nur menschliche Gier die Motivation. I really don’t know, dick waren sie beide nicht.
Meine Eltern verfolgten das sonntägliche Spektakel hauptsächlich mit Ekel. An meine wenigen Ausflüge zum Georch mit den Großeltern erinnere ich mich nicht genau, nur an besagte Fächerteller, Menschenmassen mit Schnitzelgesichtern und dass ich mal im Speißesaal von einer Biene gestochen worden war. Der Stachel wurde entfernte und eine Mitarbeiterin aus dem Service bestrichen die Einstichstelle am Hals mit Zwiebeln. Bringt das echt was? Vermutlich schon, bestimmt antiseptisch und so, muss ich mal googeln. Woran ich mich nicht erinnern kann: Ob das Schnitzel gut war.
Die Fernsehwerbung der 90er suggerierte mir zwischen Saber Rider, Inspector Gadget und Marshall BraveStarr, dass die Unox Ochsenschwanzsuppe mit anschließender Milchschnitte (saugesund, weil ja Milch und so!) zum Nachtisch an der Punica Oase (echte Früchte! Vitamic C!) ziemlich gesunde Angelegenheiten seien. Disclaimer: Meine Mum hat selbst gekocht und es gab seltenst Fertigquatsch, aber mich hat es halt immer in Richtung hochverarbeiteter, übersüßter, übersalzter und überfetteter Industrienahrung gezogen. Not my parents fault, es ist das verdammte Dopamin.
Mein Gewicht schwankte immer hin und her. Nie das super dicke Kind, manchmal aber durchaus pummelig, dann zum Beginn meiner Pubertät ziemlich schmal und später, als ich mit Anfang 20 im ersten Praktikum Zugriff auf eine Schnitzelsemmel-Flatrate bekam stark am Verdicken.
Das wurde dann, als ich immer mehr Stress im Job hatte auch nicht besser. Die Kombination aus viel Arbeit, Rauchen und (gelegentlichem) Saufen bei fast Null Ausgleich (a.k.a. „Sport“) hatte mich auf eine Bahn gelenkt, die vermutlich den ersten Herzinfarkt mit Anfang/Mitte 40 bedeutet hätte. Zum Beginn meiner 30er, als mein hektisch reingeschlungenes Mittagessen häufig aus „Fleisch mit Fleisch“ beim Kroaten in Münchens Innenstadt bestand, fasste ich nach einem Arztbesuch, bei dem ich einen Medikamentencocktail bestehend aus Blutdrucksenker und irgendwelche anderen Pillen verschrieben bekam den Entschluss, dass es so nicht weitergehen konnte und ich mit 40 gesundheitlich besser da stehen wollte als mit 30.
Rauchen konnte ich mir halbwegs fix, mit einigen on/off Phasen so innerhalb von 2-3 Jahren endgültig abgewöhnen. Sport und abnehmen gingen auch erstaunlich gut, irgendwann erzähle ich hier vielleicht mal die Geschichte vom ersten Halbmarathon und der guten alten Low-Carb Lösung. What worked for me might not work for you.
Die Nahrung, die ich aß, wurde aber nicht hochwertiger, nur weniger. Bis ich herausfand, dass Gemüse mehr sein kann, als zerkochter, übel riechender Gaatsch.
Am 27. Mai 2014 saß ich in einem Lokal irgendwo in der koreanischen Provinz. Da es dort weder Fried Chicken, noch Korean BBQ, noch irgendein Gericht gab, das mir bekannt vorkam musste ich mit dem vorlieb nehmen, was der ältere Herr, der kein einziges Wort Englisch sprach, uns ungefragt an den Tisch brachte.
In meinem Fall war das eine Schwarze Schüssel, in der ich fein säuberlich farblich sortiert jede Menge unterschiedliches Gemüse, ein rohes Ei in der Mitte und Reis darunter sah. Die Schüssel selbst war heisser als alles, was ich jemals in Deutschland an den Tisch gebracht bekommen hatte. All das ergab wenig Sinn, und so versuchte ich, irgendwie den Reis zusammen mit den Dingen, die mir essbar erschienen rauszupicken. #PickyEater. Kopfschüttelnd kam unser Kellner zurück an unseren Tisch, nahm mir die Stäbchen ab, kippte eine rote Soße ins Essen und begann alles mit meinem Löffel zu verrühren. Mein Papa erzählte mal eine Geschichte von einem japanischen Pärchen in Zermatt, die hart vor einem Topf voll Käsefondue scheiterten, bis eine Restaurantmitarbeiterin Erbarmen hatte und ihnen zeigte, wie man Brot und Käse korrekt in kulinarische Symbiose bringen konnte. I felt them in that moment.
Jetzt hatte ich also eine Schüssel voll zischendem und dampfenden roten Gemüse-Reis-Ei vor mir und nachdem mir mein Löffel wieder ausgehändigt worden war konnte ich unter dem strengen Blick von Herrn Kim (ja, der hieß bestimmt nicht so, aber mir fällt kein neues Wort mehr für „Kellner“ ein und „Ober“ mag ich nicht) probieren. Und das war ein life-changing-Moment für mich, so kitschig es auch klingt, denn: Es war scharf. Das mag ich. Es war knackig. Das mag ich. Es schmeckte nach allem Möglichen, aber nicht nach dem, was ich jahrelang mit fadem Gemüse assoziiert hatte. Es war eine Geschmacksexplosion.
Meine krasse Gemüse-Ignoranz in Verbindung mit dem, was ich aus der deutschen Küche kannte hatten dafür gesorgt, dass mir dieses Geschmackserlebnis bislange verwehrt geblieben war.
So ganz weiss er da noch nicht, dass er seinen Bezug zu Gemüse mal grundsätzlich überdenken sollte. Aber zum Glück hat er es ja geschafft.
Natürlich ist es nicht ausschließlich beim Bibimbap geblieben, über die letzten Jahre habe ich viele asiatische Gerichte gefunden, die zu großen Teilen aus Gemüse bestehen und mir taugen. Vielleicht schaffe ich auch den Sprung zurück nach Deutschland via Kimchi zu Sauerkraut, who knows.
Ausschließlich „gut“ ernähre ich mich weiterhin nicht, aber von meinen Medikamenten ist nur noch der Blutdrucksenker übrig und den brauche ich nicht mehr, wenn ich noch ein paar Kilos loswerde und die Welt-Nachrichtenlage sich bessert. Also nehm ich das Zeug dann doch bis an mein Lebensende.
Lyrics: The Chemical Brothers – The Salmon Dance
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