Coaching, Mentoring und Mediation

Gefühle – muss das sein?

Ab und zu bekomme ich Anfragen von Unternehmen. Machen Sie doch mal was mit Gefühlen und am besten noch was mit Empathie. Mit Empathie sollen dann die Mitarbeiter mit Freuden noch die letzte Meile gehen. Und vielleicht können wir dann auch noch was mit Bedürfnissen dran hängen.

Oft hat dann jemand das Buch Reinventing Organisations von Laloux gelesen oder auf einem Seminar etwas davon gehört.

Herausfordernd wird oft, wenn man auf der Arbeit New Work begegnet, aber eigentlich ganz froh wäre, wenn man einfach nur seine Arbeit machen könnte und auf der Arbeit keinen meine Gefühle was angehen.

Nur selten ist klar, was Gefühle eigentlich sind. Oft ist es irgenwas Diffuses, was eigentlich mehr ins Privatleben gehört. Bei der Arbeit, haben Gefühle eigentlicht nicht viel zu suchen.

Oder doch? Manchmal ist man vielleicht wütend auf jemand oder „fühlt“ sich klein – oder nach einem Erfolg ist man euphorisch.

Ob wir es wollen oder nicht, sind uns Gefühle ständig präsent, sei es im Privatleben oder bei der Arbeit. Mal sind sie stärker, ein andermal ahnt man sie nur. Gefühle sind wie die Hintergrundmusik unseres Lebens. Bei manchen Leuten hört sich das wie ein Orchester an – bei anderen vielleicht nur wie ein einsames Jagdhorn.

Wer schon mal mit Gewaltfreier Kommunikation nach Marshahl Rosenberg in Kontakt gekommen ist, weiß, dass Gefühle ein wichtiger Indikator für die Bedürfnisse unseres Organismus sind. Rosenberg hat das mit dem Warnsignalen im Amaturenbrett eines Fahrzeugs verglichen. Wenn etwas rot blinkt, ist das ein Signal, dass irgendwas in dem System Auto nicht stimmt und man besser schnell nachschaut, bevor größere Schäden entstehen.

Die vorhin erwähnte Metapher mit der Hintergrundmusik habe ich übrigens sowohl bei Marhshall Rosenberg als auch in einem Fachbuch zur Neurobiologie gefunden.

Was sind denn nun Gefühle:

Gefühle sind die Ergebnisse von Bewertungen über den Zustand unseres Organismus. Diese Bewertungen finden ständig, jeden Moment unseres Lebens statt. Gefühle sind immer bewusst und zeigen uns den Zustand unseres Organismus in jedem Augenblick an. Das geht ziemlich direkt, da unser Gehirn und unser Körper über das zentrale Nervensystem als Einheit verbunden sind. Es findet eine sehr direkte, immer vorhandene und intensive Kooperation zwischen Gehirn und unserem Körperinneren statt. Und oft bekommen wir von der Kooperation gar nicht so viel mit wie z.B. bei unserem Immunsystem. Das bemerken wir oft erst, wenn die Nase läuft, der Hals kratzt oder wir Fieber haben.

Gefühle sind sozusagen Insider, die uns signalisieren, wie so der Allgemeinzustand unseres Körpers ist. Wie gesagt über unser Nervensystem sind Gehirn und Organismus in ständigem Austausch. Selber nachschauen können wir ja nur bedingt, ob Herz, Lunge oder Magen in Ordnung sind. Wenn es da irgenwo klemmt, spüren wir vielleicht ein Unwohlsein im Magen/Darm bereich oder ein Herzstolpern oder Atemnot. Und dann wissen oder ahnen wir, wir sollten vielleicht zum Arzt gehen oder uns mal hinlegen oder ähnliches.

Gefühle sichern unser Leben, indem sie uns, wie die oben erwähnten Signallämpchen im Auto, darauf hinweisen, dass entweder irgenwo in unserem Körper etwas nicht in Ordnung ist und natürlich auch, das gerade alles in Ordnung ist. Uns geht es gut, wir dürfen gerade so sein wie wir sind, so könnte es jetzt bleiben. In diesem Momenten fühlen wir Entspannung und Wohlergehen.

Aber wir sind nicht nur unser Organismus – wir leben in und mit einer Umwelt, die wir über unsere Sinne erfahren und erspüren. Unser Organismus beurteilt ständig, in jedem Augenblick seine Umwelt, um sein Leben und Weiterleben zu sichern. Bedrohungen müssen rechtzeitig erkannt werden aber auch lebenssichernde Kooperationen mit anderen Menschen, Tieren und anderen lebenden Organismen müssen beurteilt und bewertet werden. Dafür gibt es interne Regelabläufe, oder auch Erlebnisnetzwerke oder neuronale Netzwerke wie auch immer man das bezeichnen mag. Diese laufen oft ganz unbewusst und unwillkürlich ab und werden durch Auslöser oder Trigger ausgelöst.

Kampf, Flucht oder regungslos bleiben bei Gefahr kennen Sie bestimmt. Oder der Gesichtsausdruck verändert sich, das Herz schlägt schneller, die Atemfrequenz steigt. Das sind Reaktionen, die wir meist gar nicht direkt beeinflussen können, weil das sehr schnell geht. Diese körperlichen Reaktionen auf äußere Ereignisse lösen dann wieder wie oben beschrieben Gefühle aus, weil eben als Folge körperliche Veränderungen in uns statt finden, die uns vielleicht entspannen und gut fühlen lassen -vielleicht bei einem guten Gespräch mit einem netten Menschen. Oder wenn wir uns bedroht fühlen, wenn uns jemand etwas sagt, das wir nicht mögen.

Auslöser oder Trigger dieser Erlebnisnetzwerke können bestimmte Formulierungen, Bewertungen, Farben, Geräusche, Düfte, Farben und noch viel, viel mehr sein. Aber auch Erinnerungen, Ideen oder Vorstellungen können solche Erlebnissnetzwerke aktivieren oder anspringen lassen.

Manche dieser Netzwerke haben wir als Menschen gemeinsam. Fight or flight wie vorhin erwähnt, oder wir krümmen uns automatisch, um bei erwarteten körperlichen schweren Einwirkungen unsere inneren Organe zu schützen. Oder wir fühlen uns wieder ganz klein – körperlich oder bezüglich des Alters.

Andere Netzwerke bilden sich automatisch, wenn bestimmte Siutuationen emotional geladen sind. Zum Beispiel reagieren manche Menschen in Konflikten mit Rückzug andere Menschen mit Aggression. Wie oben beschrieben, passiert das oft ganz automatisch, weil diese Reaktionen früher hilfreich waren und sie als Strategie gespeichert wurden, um Bedürfnisse zu erfüllen oder zu schützen. Wenn ich z.B. in einer Familie aufwachse, in der ich immer bestraft oder bloßgestellt werde, wenn ich etwas mache, das nicht ins Familiensystem passt, ist vielleicht Rückzug eine sinnvolle Reaktion und nur noch das zu machen, was von mir erwartet wird. Das ist in dem Kontext eine durchaus sinnvolle Reaktion, weil mich das vor emotionalen oder unter Umständen auch physischen Verletzungen schützt. Unser Organismus speichert sich das dann ab, um nicht jedes mal neu eine gute Strategie finden zu müssen.

Als Erwachsene ist die Strategie Rückzug im Konflikt dann wahrscheinlich von aussen betrachtet nicht mehr die allerbeste. Von innen betrachtet gibt mir das aber immer noch die Sicherheit, nicht mehr das erleben zu müssen, was ich damals in einem anderen Kontext erlebt habe.

Diesen gelernten Erlebnissnetzwerken sind wir aber keineswegs augeliefert. Sie können aktiv verändert werden, wenn wir uns ihrer bewusst werden. Anlass für Veränderung ist meistens, dass uns was an unserem Verhalten stört, was wir uns auf bewusster Ebene nicht erklären können, oder das vielleicht andere etwas an uns stört und uns dann irgenwann dann doch ins Nachdenken kommen lässt.

Gefühle sind also ständig präsente, wichtige, ja lebenswichtige Begleiter in unserem Leben. Sie zeigen uns an, was wir brauchen um unser Leben aufrechterhalten zu können.

Gefühle können von anderen Menschen, Ereignissen oder Erinnerungen ausgelöst werden. Aber letztlich sind wir selbst für unsere Gefühle und wie wir mit Ihnen umgehen verantwortlich. Das ist nicht immer einfach. Auch weil wir im Laufe unserer persönlichen Entwicklung von „Autoritäten“ (Eltern, Lehrer, Vorgesetzte, etc.) oft mitgeteilt bekommen, dass unsere Gefühle nicht so wichtig sind. Fängt schon damit an, wenn man jemand sagt, der einem mitteilt, dass er Angst hat, Du brauchst doch keine Angst haben, weil das und das so und so ist. Ist doch alles nicht so schlimm.

Das führt dazu, dass wir Geschichten und Stories erzählen, um die Gefühle etwas runterzudämmen. Um die obige Autometapher mit den Signallämpchen noch etwas zu erweitern: Wir schalten das Radio im Auto lauter, wenn es ein störendes Geräusch im Auto gibt.

Mit manchen Gefühlen kommen wir einfach nicht mehr gerne in Kontakt, weil wir gelernt haben, dass es nicht gut oder sogar gefährlich ist, eigene Bedürfnisse und Gefühle zu äußern. Und damit haben wir auch gelernt, dass andere Leute, seien es Eltern, Lehrer, Vorgesetzte, Partner, Politiker, Kleriker, Fernsehmoderatoren, Helden in Spielfilmen und und und wissen was gut oder schlecht für uns ist. Also ist das, was ich vielleicht so ganz von Ferne in mir als Gefühle spüre, besser nicht zu beachten. Könnte ja gefährlich sein, sich eigene Bedürfnisse einzugestehen. Und auch noch anderen seine Bedürfnisse mitzuteilen – vielleicht doch lieber nicht. Das macht sehr verletzlich und manche Verletzungen will man einfach nicht mehr erleben.

Wir speichern zwar sehr viele Elemente als Teil unserer neuronalen Netzwerke oder Erlebnisnetzwerke. Gefühle werden jedoch nicht abgespeichert. Gefühle werden jeden Augenblick unseres Lebens neu erzeugt – abhängig von den Zuständen unseres Organsimus oder eben von den Elementen der Erlebnisnetzwerke, die aufgrund von externen Auslösern (Trigger) oder auch internen Auslösern (Gedanken, Stories, Erinnerungen, usw.) aktiviert werden.

Manchmal wollen Leute einfach nichts von Gefühlen hören, weil sie sich selber schützen wollen. Und dann auch noch bei der Arbeit, wenn schon zuhause der Partner oder die Partnerin mit Gefühlen nervt. O jeh, oh jeh. Meiner Meinung nach sollte man das auch als Arbeitgeber respektieren. Man kann Angebote zur persönlichen Weiterentwicklung machen, sollte das aber nicht als mehr oder weniger subtile Zwangsmaßnahme einfordern.

Wir haben nun mal Gefühle als zentrales Element unseres Lebendigseins und unseres Bewusstseins. Sie ermöglichen uns, uns unserer Selbst bewusst zu sein. Wenn wir die Gefühle nun mal haben, könnten wir ja auch wieder lernen, gut mit ihnen umzugehen und die Infos, die sie uns ständig geben, auch zu nutzen, anstatt sie sich wegzuerzählen oder wegzudenken. Das ist gar nicht so schwer. Es ist hilfreich, sich schwierige Situationen, erstmal aus einer inneren Distanz anzuschauen. Schauen, was wirklich passiert ist. Das ist zwar meist nicht so genau möglich, aber durch das Distanzieren, das Einnehmen einer inneren Metaposition ändern sich oft auch schon die Gefühle. Unter der Aggression kommt manchmal die Angst hervor, unter der Scham vielleicht die Einsamkeit.

Bei all den Entwicklungen und neuen Erkenntnissen der Neurowissenschaften kann man leicht in Versuchung kommen, alles neurobiolgisch erklären zu können oder zu wollen. Das sind alles wohlfundierte Erklärungsmodelle – keine Frage.

Die Beziehungen zwischen Menschen können nicht auf biologische Prozesse reduziert werden. Das Leben findet im Fluss ihrer bzw. unserer Beziehungen statt.

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