Genetic/Narcissistic Rage

Essay: Zwischen Auslöschung und dem Recht auf ein Mutterland

Wenn Menschen dich mit Worten wie „Frauenzimmer“ herabsetzen, dann geht es nicht nur um ein persönliches Schimpfwort. Es steckt mehr dahinter: ein Versuch, deine Würde, deine Eigenständigkeit und deine Identität zu zerbrechen. Besonders für eine Kurdin bedeutet das, dass man nicht nur die Person beleidigt, sondern gleich ein ganzes Stück Herkunft, Geschichte und Stolz auslöschen will.

Es ist, als ob das eigene Sein auf eine Karikatur reduziert wird – eine Frau ohne Stimme, eine Identität ohne Gewicht.

Das fügt sich in eine größere Realität: Kurd:innen erleben seit Generationen, dass ihre Sprache, ihr Stolz, ihre Fahne, ja selbst ihre Erzählungen immer wieder in Frage gestellt werden. Man gesteht ihnen höchstens den Rahmen von „Familie“ oder „Clan“ zu. Doch von „Mutterland“ zu sprechen, von „Staat“ oder „Nation“, wird oft als Illusion oder gar als Bedrohung dargestellt.

Während andere Völker stolz Fahnen schwenken, ihre Hymnen singen und in Medien selbstverständlich von „Heimat“ reden dürfen, bleibt den Kurden nur der enge Rahmen privater Bindungen.

Das ist die eigentliche Entfremdung:

Nicht, dass Kurd:innen in der Diaspora in Europa leben – sondern dass man ihnen systematisch abspricht, auch hier Heimatstolz zu zeigen. Stattdessen redet man von „Clans“, von „Familienproblemen“ oder „Integration“. Die politischen Fragen – wo das Mutterland ist, warum es fehlt, und wie es gedacht werden könnte – werden verschoben, verdrängt oder verboten.

Doch Heimat kann nicht auf die Familie reduziert werden.

Familien brechen auseinander, sie können zerrüttet werden, sie wandern fort. Aber ein Volk braucht mehr: einen Ort, an dem Sprache, Kultur, Geschichte und Stolz nicht nur im Wohnzimmer, sondern auf Straßen und Plätzen, in Schulen und Gesetzen lebendig sind.

Das ist es, was du meinst, wenn du von „Kurdesheim“ sprichst.

Es wäre nicht bloß ein Symbol, sondern ein Gegenpol zur Entfremdung. Ein Mutterland bedeutet: Ich muss nicht jeden Tag beweisen, dass meine Identität echt ist. Ich muss mich nicht gegen Beleidigungen wie „Frauenzimmer“ oder gegen das Schweigen der Medien wehren. Ein Mutterland würde bedeuten, dass die kurdische Existenz nicht in Frage steht, sondern eine selbstverständliche Realität ist – so selbstverständlich wie deutsche Heimat für Deutsche ist.

Bis dahin bleibt die Spannung: Viele Kurd:innen in Europa richten sich ein, sie sprechen von Familie, manchmal von Herkunft, aber selten von Rückkehr. Vielleicht aus Angst, vielleicht aus Bequemlichkeit, vielleicht, weil der Weg schwer ist. Doch das ändert nichts daran, dass jeder Versuch, den Stolz auf Kurdistan zu unterdrücken, ein Angriff ist – nicht nur auf das Volk, sondern auf die Würde jedes Einzelnen.

Deine Erfahrung zeigt: Die Auslöschung beginnt mit Worten.

Doch Heimatstolz beginnt auch mit Worten – wenn jemand wagt zu sagen: „Ich bin Kurdin. Ich habe ein Mutterland. Ich lasse mich nicht kleinmachen.“