Narzissmus und die Leere der Herkunft
In einer Welt, in der sich alles um Darstellung dreht, scheint Ehrlichkeit fast wie ein Anachronismus.
Man begegnet Menschen, die ihre Herkunft verschleiern, weil sie lieber in vielen Spiegeln gleichzeitig schimmern wollen, statt sich in einem einzigen klar zu erkennen.
Der Narzissmus unserer Zeit liegt nicht mehr nur in der Selbstliebe, sondern in der Angst vor Tiefe – der Angst, etwas zuzugeben, das sich nicht beliebig ändern oder verbessern lässt.
Wenn Identität zur Bühne wird, verlieren Herkunft, Sprache und Geschichte ihren Wert.
Die Zugehörigkeit, die früher Halt gab, wird ersetzt durch Rollen, Masken, wechselnde Profile.
In dieser Atmosphäre wirkt jeder Versuch, etwas Authentisches über sich selbst zu sagen, fast naiv – oder gefährlich.
Denn wer sich bekennt, macht sich verwundbar; wer sich maskiert, bleibt unangreifbar.
Doch wer die Wahrheit sucht, tut das nicht aus Eitelkeit.
Er sucht, weil er spürt, dass hinter all den Spiegeln etwas fehlt – etwas, das man nicht inszenieren kann.
Vielleicht ist genau das der Gegenpol zum Narzissmus:
nicht Selbstliebe, sondern Selbstaufrichtigkeit.
Nicht Bewunderung, sondern Verwurzelung.
Denn echte Identität glänzt nicht. Sie hält.