Alētheia

Der Traum und die Wirklichkeit sind manchmal nur durch einen einzigen kurzen Satz getrennt, “Ich will mehr vom Leben!”

Der Traum war Oneiro, Alētheia, die Wirklichkeit, ist die Stadt mit dem Turm auf dem Hügel.

Die Insel in der Ägäis, mit all Ihren Träumen und Wünschen versank langsam im Dunkeln der Nacht. Die beiden Glasluken, die das Dach über meinem Bett durchbrachen, gaben den Blick auf einen mondlosen Himmel frei, auf dem ich Sterne leuchten sah. Die Geräusche der kleinen Landeshauptstadt waren noch gedämpft auf der Galerie meiner Wohnung zu hören. Ein Auto hier und da. Das Zwitschern der Vögel im Innenhof, die den nahenden Morgen begrüßten, mehr war nicht zu hören. Die Nacht wich ruhig und entspannt dem Tag und der Traum von Oneiro war eine Erinnerung an schmerzliche Zeiten, in welchen die Insel in Griechenland mein einziger Zufluchtsort war, um Frieden und Glück zu finden. Ich drehte mich auf die andere Seite in meinem Bett und lächelte als ich den schwachen Geruch meiner Frau wahr nahm. Es war eine Mischung aus Sonnenschein und betörender schwerer Süße, die mir ein zärtliches glückliches Lächeln auf die Lippen zauberte. Heute war ihr Körper nicht hier, aber ihre Seele streichelte mich bevor ich aufstand. Das war Aletheia, das Land, wo meine Träume zur Wirklichkeit wurden.

Langsam stellte ich meine Füße auf den Boden und wartete kurz bis der morgendliche Schwindel verging. Ich lauschte nicht, ob mein Herz wieder ein paar Wechselschritte einlegte, oder ob die alte müde Klappe nun doch Problem bekamen, sondern freut mich auf eine neuen Tag. Sonnenschein umfing mich, obwohl die Sonne noch hinter dem Hügel mit dem Turm stand, der sich als Schattenriss auf dem rosa Himmel abzeichnete.

Ich ging in die Küche, machte Kaffee und dann stellte ich mich unter die Dusche, um im warmen Wasser, das zärtlich über meine Haut ran, ihre Finger zu spüren. Meine Gedanken und meine Hormone waren bei Ihr, doch meine alte glückliche Seele, fing die Lust in einem kleinen Gefäß in mir auf, um sie zu einem späteren Zeitpunkt mit meiner Frau, meinem Sonnenschein, zu genießen;

Als ich die Straße betrat, ging ich in Richtung des Cafes gegenüber der Oper um mein Frühstück einzunehmen. Die freundlich Menschen, welche mich aus dieser Straße kannten, erwiderten meinen Gruß und als ich durch den Park hinunter zum Cafe ging, lächelte ich über ein paar müde dreinblickende alte Männer mit Ihren Hunden. Wohin ist euer Jugend geflohen aus dem alten traurigen Gemäuer, dachte ich bei mir und war glücklich, dass Sie mir dieses Schicksal erspart hatte.

Seitdem ich hierher gezogen war, hatte ich immer, wenn meine Frau in Ihrer eigene Wohnung übernachtete, in dem Café gefrühstückt. Den Fremden aus der Bundeshauptstadt, hatte man am Anfang immer misstrauisch beäugt, doch da er freundlich grüßte, immer lächelte und ruhig seinen großen Schwarzen, eine Buttersemmel und zwei Eier im Glas verzehrte und dann hier und da seine Laptop auspackte und etwas schrieb, hatte man mich bald als Teil der bunten Gesellschaft dieses Lokals akzeptiert. Die Kellner, welche hier sowieso freundlicher als in der Großstadt waren begrüßten mich und brachten ohne zu Fragen mein Frühstück. Die Herrenrunde, die sich am Morgen immer zum ersten Achtel traf, nickte freundlich als ich sie grüßte und die interessierten Blicke der Damen, die sich beim Prosecco den neuesten Klatsch erzählten, ignorierte ich geschmeichelt.

Als ich mir gerade den letzten Rest des Kaffees genehmigte, kam der Buchhändler aus der Fußgeherzone auf mich zu und sagt, “Hallo wie geht es? Dein letzte Band der Trilogie, war wieder ein voller Erfolg, die Kunden fragen wann es wieder etwas von dir geben wird, könne wir noch einmal eine Lesung machen nächsten Freitag Nachmittag?” Ich, sagte zu und erklärte einige Ideen. Es entspannte sich eine kreative Diskussion und als ich um 11:00 wieder Richtung Wohnung aufbrach hatte ich auch ein Glas des rosa Weins in mir, dem viele skeptisch gegenüber standen, da er das Temperament unberechenbar machen soll.

Gerade als ich mein Wohnung betrat läutete mein Mobiltelefon und ihrer warme zärtlich Stimme ließ alle Vorsätze heute hier in der Wohnung zu arbeiten in nichts aufgehen. Ich packte meine Sachen und fuhr hinaus nach Süden.

H.F.Gerl 2021