Vom Leben am Meer.

Der Tag, an dem Amerika verschwunden war.

Kürzlich ereignete sich etwas, was eigentlich gar nicht sein kann:

Amerika war verschwunden.

Nach dem das Buch von Joachim Meyerhoff ausgelesen war, wollte ich aus dem Zyklus. „Alle Toten fliegen hoch“ Band 1 lesen. Hier ging es um eine Zeit, die der Autor in den 1980er Jahren in den USA verbracht hatte und das den Anfang seiner biographischen Geschichten macht.

Das neue Computersystem, das die Ausleihe in der Stadtbibliothek besonders komfortabel macht, funktioniert so, dass Bücher in der Zentrale bestellt und in den Stadtteil geliefert werden.

Der Band war sogar hier vor Ort vorrätig und da ich nachmittags ohnehin ein paar Medien abholen wollte, bestellte ich den Band digital noch schnell dazu. Das Buch wurde sofort als verfügbar angezeigt.

Ich radelte also nachmittags guter Dinge durch den kleinen Park, in dem das Herbstlaub über den Boden wehte und die Enten am Teich quakten, die sich von einer einsamen Möwe nicht aus der Ruhe bringen ließen, in die Stadtteilbibliothek, gab gelesene Bücher zurück und wollte Neue ausleihen. Die Bibliothekarin holte die vorbestellten Büchern aus dem Regal.

Ich zählte durch: Eins, zwei … halt stopp, da fehlte eines.

“Da müsste noch eines fehlen.”

Die Bibliothekarin sah im Computer nach.

“Ja, das stimmt.” sagte sie leicht säuerlich, als habe ich das Durcheinander verursacht.

Sie sah nochmal bei den bereitgestellten Büchern nach.

Dort war es nicht.

Sie ging zum Regal und schaute dort nach.

Da war es auch nicht.

Ich war verdutzt. Das konnte doch eigentlich nicht sein. Der Band musste doch hier irgendwo sein. Gestern noch hatte jemand im Computer die Einstellung „Zur Abholung bereit“ eingestellt, also musste jemand das Buch gesehen haben.

Aber es war nicht da. Es war nicht bei den zur Abholung vorbereiteten Büchern. Es war auch nicht im Regal unter Meyerhoff.

„Aber gestern muss es doch noch hier gewesen sein.“ sagte ich und schaute mich um, als würde ich es gleich irgendwo entdecken.

Ich hätte am liebsten selbst die kleine Bücherei abgesucht. Ich dachte durchaus kurz darüber nach, als die Bibliothekarin wieder leicht säuerlich sagte:

„Ich kann es ja jetzt nicht herbeizaubern.“

„Nein, das können Sie nicht.“

Amerika war verschwunden.

Und blieb es auch.

Ich radelte unverrichteter Dinge davon.

Es wird ja nicht lange dauern, sagte ich mir. Die Bibliothekarin hatte nun ein Exemplar aus der Zentrale angefordert. Der Transport aus der Zentrale kam zweimal die Woche und als ich daheim nachsah, zeigte die Bestellung online auch schon die Information „im Transport“.

Ich sah nun alle paar Stunden nach, ob das Buch eingetroffen war. Aber nichts geschah. Es vergingen Tage, dann eine Woche und nichts passierte im System.

Entschlossen entschied ich vorbeizufahren, um zu fragen, was los ist.

Aber sieh da, kurz bevor ich das Rad bestieg, meldete das Computersystem:

Amerika ist wieder da!

#Bücher

In den 2010ern an Board der Mayflower, die die ersten Pilgrims 1620 nach Plymouth, Massachusetts, brachten. Das Schiff ist ein Nachbau.