Vom Leben am Meer.

Im Pensé-Zimmer.

Bunte Bänder,

schmucke Gewänder,

ein Tanz,

eine Wonne,

der Mai ist gekommen.

Der Baum wird auf dem Kirchplatz

errichtet.

Es wird gesungen, getanzt und gedichtet.

Ein Schwarm zieht gen Strand.

In alten Badekostümen geht es durch

den Sand,

sie lärmen und lachen und singen,

bis sie am Ende ins Wasser, das eisig Kalte, springen.

#Möwenlyrik

Im Pensé-Zimmer.

Ganz unscheinbar taucht es auf, irgendwo mittendrin, beiläufig fast: Toni Buddenbrook ist frisch vermählt, von Lübeck nach Hamburg gezogen. In der neuen Wohnung gibt es – zwischen Frühstücksraum und Herren-Besprechungszimmer – ein kleines Refugium, das Thomas Mann „Pensé-Zimmer“ nennt.

Ich stutze bei diesem Begriff. Pensée – das französische Wort für Gedanke. Und auch für Stiefmütterchen. Ein elegantes Damenzimmer also, zum Sitzen, Sticken, Schreiben – und Denken. Die Tapeten vielleicht mit zarten Blumenmustern, die Tassen auf dem Beistelltisch hauchdünn. Ein Ort des Übergangs, ja – doch mehr noch: ein Ort des Innehaltens.

Virginia Woolf fällt mir ein. Eine Frau braucht ein Zimmer für sich allein. Dieses hier ist kein Arbeitszimmer, kein Ort der Produktivität, sondern ein stilles Geviert zwischen den Räumen – weder öffentlich noch privat. Ein Zwischenraum. Ein Möglichkeitsraum.

Ich stelle mir Toni dort vor. Wie sie Platz nimmt, vielleicht ein wenig fremd noch in ihrer neuen Umgebung. Vielleicht greift sie nach einem Buch, vielleicht schaut sie einfach nur in die Luft. Und denkt. An Lübeck. An sich. An das, was kommen mag.

Vielleicht brauchen wir mehr solcher Räume: klein, zart und ernst genug, um Gedanken darin wohnen zu lassen.

Treibgut.

Thomas Mann: Der Zauberberg – Das Hörspiel

Buddenbrookhaus, Lübeck.