Martin Luther, der Bildungs-Revolutionär.
Ein ehemaliger Mönch und eine entflohene Nonne heiraten. Das war schon der Skandal schlechthin, aber das war nicht alles. Sie revolutionierten auch noch durch Bildung die Welt.
Aber vorher hockte der Mönch über Jahre grübelnd in seinem Turmzimmer, weil ihm nichts wichtiger ist, als seiner römisch-katholischen Kirche zu dienen. Was nur war geschehen?
Wittenberg, Europa und die Welt.
Martin Luther lebte in einer Zeit, die sich in einem Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit befand. Einem Epochenwechsel, an dem er maßgeblich beteiligt war, ohne es jemals gewollt zu haben oder es in seiner Tragweite Zeit seines Lebens zu erfassen.
Dabei war Martin Luther ein Gelehrter. Ein Professor an der neuen Universität zu Wittenberg. Das Zusammenwirken verschiedener Ereignisse und zeitgenössischer Strömungen hat seine Mission gefördert und die Reformation beschleunigt. Eine Veränderung, die bis heute unser Menschenbild, Gottesbild, unsere Bildungssysteme und das christliche Europa prägen. Das Bild des liebenden Gottes, dessen Sehnsucht Nächstenliebe ist. Unsere europäischen Werte wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit resultieren aus diesem für damalige Verhältnisse grundlegenden anderen Verständnis von Kirche. Einer Kirche, die sich wieder auf ihre Ursprünge konzentriert.
Auch Martin Luther lebte bereits in europäischen Strukturen: im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation (allerdings ohne einheitliche Währung). Nationalstaatlichkeit war den Deutschen zu jenem Zeitpunkt eher noch fremd. Und ähnlich wie heute gab es viele Krisenthemen in diesem großen Reich zu beackern, Probleme, die häufig mit Kriegen gelöst wurden.
Der Kontinent Europa stand zu jenem Zeitpunkt vor einem epochalen Wandel, der aber noch nicht abzusehen war.
Schreiben, Bildung und einfache Sprache.
Gleichzeitig mit Martin Luther lebten drei andere Männer, die mit ihren Forschungen und Erfindungen einen entscheidenden Einfluss auf den Wandel gehabt haben: Johannes Gutenberg, der Erfinder des Buchdrucks, Christoph Kolumbus, der Entdecker Amerikas und Nikolaus Kopernikus, Lehrer des heliozentrischen Weltbildes.
Martin Luther soll sich für die Entdeckung Amerikas und die Erfindung des Buchdrucks wenig interessiert haben und doch haben diese Entwicklungen seine Reformation verbreitet und ihm sogar wohl den Hals gerettet, denn als Ketzer sollte er eigentlich getötet werden. Aber zu dem Zeitpunkt war die neue Idee schon so verbreitet, dass sie nicht mehr aufzuhalten war.
Er konzentrierte sich auf sein Lebensthema, die Verbreitung des Wortes und seiner Überzeugungen. Er schrieb seine Überzeugungen konsequent auf.
Er traf dabei auf ein Volk, das hungrig war nach Veränderung. Dass diese alte mittelalterliche Welt nicht länger ertragen wollte, in dem der überwiegende Teil der Menschheit in unsäglichen Verhältnissen lebte.
Er erreichte das Volk deswegen, weil es ihm gelang, eine Sprache zu sprechen, die das Volk verstand. Zum einen, weil er die Texte der Bibel in die deutsche Sprache übersetzte und, weil er eine einfache Sprache benutzte.
Auf diese Weise revolutionierte Martin Luther die Welt. Er wählte zielgruppengerechte Methoden, um Bildung zu vermitteln. Und brachte die Menschheit zu einem neuen Bild von Wirklichkeit. Die neuen Bilder bildeten den Geist und formten damit die Menschheit neu. Was wiederum Auswirkungen auf gesellschaftliche Veränderungen und Strukturen hatte.
Der erste Bestsellerautor Martin Luther bewegte durch sein Wort und die Sprache die Welt in einer durch Buchdruck beschleunigten Schnelligkeit, die an den vielen vorhandenen alten Strukturen, so auch der römisch-katholischen Kirche, vorbeieilten, ohne von dieser wahrgenommen zu werden oder deren Auswirkungen im Entferntesten zu erahnen.
Aufgrund der mittelalterlichen Erfahrungen seiner Zeit mit Ablasshandel und der Verweltlichung der Kirche, die sich nur um Macht, Geld und Gier zu drehen schien, war ihm diese Erkenntnis heilsrettend für seinen Glauben. Seine Erkenntnis, dass allein das Wort (Evangelium) entscheidend war und es keine Autoritäten brauchte, die es dem Glaubenden auslegten, wenn er es selbst zu lesen verstand, führte letztlich zu den Auswirkungen der Reformation, die in blutigen Glaubenskriegen ausgefochten wurden.
Es hat aber auch viele Mystiker/innen inspiriert und so auch im katholischen „Lager” seinen Weg gefunden.
Die Lutherin.
Katharina von Bora, besser bekannt als die Lutherin, war die Ehefrau von Martin Luther. Ein ehemaliger Mönch und eine entflohene Nonne heiraten. Das war natürlich der Skandal schlechthin.
Martin Luther ging sehr offensiv mit diesem Thema um. Er ließ ein Gemälde von sich und seiner Frau anfertigen, das sie als Ehepaar zeigte. Martin Luther und seine Frau Katharina pflegten ein für damalige Verhältnisse ausgesprochen partnerschaftliches Miteinander. Sie saß mit am Tisch, wenn diskutiert wurde. Er hörte auf ihre Meinung und musste sich nachsagen lassen, dass sie ihn zu stark beeinflusste. Sie leitete das häusliche Wirtschaftsunternehmen, das ihnen die Existenzgrundlage sicherte. Übersetzte ebenfalls Bibeltexte und in seinen Briefen nannte er sie in der Anrede liebevoll Herr Käthe, Doktorin, Lutherin, Predigerin zu Wittenberg.
Und dennoch: nach seinem Tod verlor sie alle Rechte. Auf das Erbe, auf ihre selbständige Existenz und ihren Status.
In Schleswig-Holstein ist der 31. Oktober seit 2018 ein Feiertag. Der Reformationstag ist eine Erinnerung daran, wie kraftvoll Reformen und Bildung sein können.