Spielen lernen. #Piano
Das Instrument ist so alt, dass ich nicht genau weiß,
ob ich dafür in Mark oder in Euro gezahlt habe.
Ich bin auf einem Flohmark herumgebummelt
und habe nach etwas Ausschau gehalten, von dem ich nicht wusste,
was es war.
Sind Flohmärkte nicht dafür gemacht?
Sie laden dazu ein, was preis geboten wird, inspirieren, regen die Phantasie an, was könnte man damit machen, wo könnte die neue Vase einen neuen Punkt setzen, was schlummert in Dir? Was möchte geweckt werden?
Und da war es!
Mein zukünftiges Keyboard.
Es blinzelte mir zu.
Rief: „ Nimm mich mit! Ich werde Dich glücklich machen!“
Und es küsste mein Verlangen.
Mein altes Verlangen, Klavier spielen zu können.
Können wollte ich es! Nicht lernen.
Lernen macht keinen Spaß.
Es ist mühselig.
Es kostet Zeit.
Ich wollte spielen können. Bach, Beethoven, Mozart. Vor allem Klassik. Vielleicht auch Pop.
Wozu? Einfach so. Sinnfrei. Zweckfrei.
Ich legte irgendetwas mit 14 in Scheinen und Münzen auf den Tisch und klemmte das klobige Teil unter meinen Arm.
Dann kaufte ich noch ein Untergestell und stellte es in die Wohnung.
Da stand es nun.
Aber ich konnte nicht spielen.
Ab und an klimperte ich die wenigen Noten, die ich kannte.
Es machte wenig Freude.
Ich hatte keine Zeit, Unterricht zu nehmen.
Und eines Tages verschwand das gute Stück im Keller.
Und es blieb dort.
Es zog mit um. Und landete wieder im Keller. Und zog wieder mit um. Und stand im Keller.
Und dann wurde schlagartig alles anders.
Es fand den Weg aus dem Keller zurück in die Wohnung.
Es fand seinen Platz.
Und nicht nur das. Es flirtete mit mir, wenn immer ich hin sah.
„Komm spiel mit mir“ säuselte es.
Ich klimperte wieder darauf herum.
„Es nützt nichts,“ sagte ich mir. „Ich soll es lernen.“
Aber wie?
Es muss einfach sein.
Täglich.
Es muss Spaß machen.
Spielen.
Lernen.
Spielen lernen.
Spielen.
Und so fand ich eine App.
Der Weg ist das Spiel.
Ich lege meine Finger auf die Tastatur und verfolge die Tastaturfolge auf dem Bildschirm und höre dabei, wie die Musik klingen soll.
Hören, sehen, probieren.
Die Finger bewegen sich und spielen nach, was an Noten geboten wird.
Ein Missklang wird registriert.
Mehrere Missklänge zwingen zur Wiederholung.
Zu viele Missklänge setzen die Geschwindigkeit herunter.
Am Anfang erkenne ich keine Musik, keinen Akkord, keine Melodie.
Die App hat Tricks, wie sie meine Motivation hält.
Motorik und Bewegung, sie sind der Beginn allen Lernens.
Von Kind auf.
Die Finger bewegen sich nicht wie sie sollen.
10 Finger blind, der alte Schreibmaschinenkurs zu Schulzeiten damals und die tägliche Übung helfen ein wenig.
Doch der Rythmus ist ein anderer.
Hier gilt es die Finger nicht mit Buchstaben, sondern mit Tönen in Einklang zu bringen und aus dem Ganzen Musik zu machen.
Die Hände wissen, dass es möglich ist, dass beide etwas gleichzeitig tun können. Aber doch nicht so!
Aufhören bevor es keinen Spaß mehr macht. Eine Weisheit für das Leben.
Spielen ist keine Pflicht.
Es ist Freude.
Es ist Leichtigkeit.
Wenn die Leichtigkeit vergeht, höre ich auf.
Das funktioniert.
Ich spiele jetzt seit vielen Monaten täglich.
Manchmal nur 10 Minuten.
Es geht nicht um Leistung.
Es geht um Kunst.
Aber kommt Kunst nicht von können?
Aber nur weil ich etwas kann, muss ich doch nichts leisten.
Und wenn ich es nicht kann, muss ich es dann leisten?
Was ist überhaupt Leistung?
Als wollten Menschen nicht schöpferisch, geistig, körperlich, produktiv tätig sein. Das liegt in der Natur des Menschen.
Kunst kommt von Können.
Während der Himmel sich abends rötlich verfärbt, übe ich ein einfaches Stück von Bach. Und stelle fest: Bach am Abend ist ein wunderbarer Ausklang.
Irgendwann morgens starte ich mit „Born to be wild“ in den Tag. Es ist Geschmacksache. Musik bewegt. Innerlich. Äußerlich.
Die Band kommt mir in den Sinn. In der ich damals hätte spielen können.
An manchen Stücken hämmere ich verzweifelt herum. Ich übe sie, tage-, ja wochenlang, und es will sich kein Fortschritt zeigen.
Ich lerne mich selber kennen. Beobachte mich beim Spiel. Frage mich, warum bist Du nur so verbissen. Lass es.
Und dann plötzlich wird es leichter.
Es hat Monate gedauert bis ich Musik hören konnte. Bis ich Musik produziert habe. Bis ich einen Rhythmus gefunden habe.
Ich stehe am Anfang.
Ich habe keine Ziele.
Der Weg ist das Spiel.