Was für eine Gesellschaft wollen wir sein?
Zunächst schiebe ich das Fahrrad über den glatten Bürgersteig.
Als ich endlich aufsteigen kann, trifft die Eiseskälte meinen Kopf hart. Ich habe vergessen, meine Mütze anzuziehen. Es nieselt eine Mischung aus Regen und Schnee.
Der Januar zeigt sich von seiner kalten Seite. Eiskalt.
Zwischen Hegemonie und Transformation.
Diese zweite Januarwoche ist auch politisch eisig.
In der FAZ steht ein großer Artikel mit der Überschrift: „Das Ende der grünen Hegemonie.“
„Wie lange müssen Veränderungen gelebt werden, damit sie bleiben?“ fragt Teresa Bücker in ihrem Buch Alle_Zeit.
Warum scheiterte „Die Welt von gestern“ (Stefan Zweig)?
Es gibt Notwendigkeiten, unsere Lebensweise drastisch zu verändern und doch sind wir als Gesellschaft nicht dazu in der Lage.
Wir hängen als Menschen so sehr in unseren liebgewonnenen Gewohnheiten, dass wir den Dreh nicht kriegen und lieber einen Krieg anzetteln, als eine grundlegende, lebensnotwendige Reform zuzulassen.
„Was viel bedrohlicher ist, ist das Klima des Fanatismus“, schreibt Carolin Emcke in ihrem Buch „Gegen den Hass“.
Bildung ist ein Weg: Präzisieren lernen, hinsehen, hinhören, differenzieren.
Keine Phrasen dreschen, keine Plattitüden nachplappern.
„Was aber sollte an die Stelle des Glaubens treten, dass die Märkte für rationale Deutungshoheit und effiziente Steuerung sorgten?“ (FAZ)
Was für eine Gesellschaft wollen wir sein?
Maja Göpel ist Transformationsforscherin und hat ein Buch mit dem Titel “Wir können auch anders – Aufbruch in die Welt von morgen” geschrieben.
In einem Interview erklärte sie im vergangenen Jahr: “Wir befinden uns in der sogenannten Zwischenzeit. In der Transformationsforschung bezeichnet man damit die Phase, in der das Alte stirbt, der Status quo also keine Zukunft bietet, das Neue aber noch nicht geboren und damit noch wenig anfassbar ist.
Wir sehen im Moment, wie die Krisen stärker werden neben den spürbaren Folgen der Klimakatastrophe – Corona als Zoonose mit harter Wirkung auf die Menschen, und jetzt noch der Krieg in der Ukraine, die Inflation und die geopolitischen Verschiebungen im Weltmaßstab.
In dieser Unsicherheit beobachten wir die Versuchung, wieder ins Alte zurückkehren zu wollen, um unsere Unsicherheit einzuhegen.”
Sie gibt drei wertvolle Tipps:
- Etwas sein zu lassen, kann auch ein sehr wirksamer Beitrag dazu sein, dass Dinge erhalten bleiben oder wieder anwachsen.
- Durchatmen
- Mich dort einzubringen, wo ich im Alltag eingebunden bin, bringt mehr Selbstwirksamkeit.
Eis kann aufbrechen. Zersplittern. Schmelzen.
Der Zusammenhalt für eine gelungene Demokratie zeigt in diesen Tagen wieder, was möglich ist. Mich persönlich macht das auch zuversichtlich.
Carolin Emcke schreibt in ihrer monatlichen Kolumne in der Süddeutschen Zeitung vom 13.01.2024: “Wer wollen wir sein? Wollen wir zu denen gehören, die einen Beitrag dazu leisten, dass wir als Gesellschaft lernen, dass wir uns entwickeln und dadurch bestehen?”
“Alle Menschen, mit denen ich rede, sagen, sie möchten in Frieden leben, würden Armut gerne abschaffen, schätzen eine intakte Natur und wünschen sich einen respektvollen Umgang. Sie wollen, dass ihre Kinder sicher und zufrieden leben können. Warum machen wir es dann nicht?” (Maja Göpel im Interview)
Das ist er auch, der Januar 2024, Hoffnung und Aufbruch.
Und mit Mütze radeln und den pünktlichen ÖPNV trotz Bahnstreik genießen zu können.