Vom Leben am Meer.

Wie ausgewandert. (Teil 2)

Mitte Juni rollte der Möbelwagen durch das offene Tor unseres frisch gemieteten Hauses.

Alles fühlte sich nach Ferien und Urlaub an, denn das Reetdachhaus war Teil eines Parks von drei Häusern, die wohl als Ferienimmobilien genutzt worden waren.

Durch die Pandemie hatte sich das geändert.

Wir waren auf der Insel Fehmarn gestrandet.

Inselleben.

Wir kannten die Insel nicht und hatten eigentlich dort nur gemietet, weil es viel Raum für erschwingliche Miete gab und der Hund genügend Garten und Auslauf hatte.

Wir wurden sehr freundlich willkommen geheissen.

Die Fehmarner freuen sich über Zugezogene!

Sobald man eingebürgert ist, ist man Teil der Gemeinschaft.

Man ist sofort einer von ihnen. Die Türen stehen offen, man hilft sich.

Es ist eine kleine Kolonie für sich.

Fehmarn hat sagenhafte Naturstrände, endlose Felder, dahin gewürfelte Dörfer, die alle ihren eigenen Charakter haben, und ist, bis auf ein kleines Kino, relativ kulturfrei.

Wir haben die Einsamkeit der Insel während der Pandemie genossen. Während anderenorts kaum Aktivitäten möglich waren, konnte man sich hier so sehr aus dem Weg gehen, dass schon wieder fast alles erlaubt war.

Wir sind endlos radgefahren, haben Strandwanderungen mit dem Hund gemacht und wenn uns die Decke zu sehr auf den Kopf fiel, konnten wir die Regionalbahn nach Lübeck nehmen. Das bedeutete allerdings rund 90 Minuten Fahrstrecke.

Auf Fehmarn ist man nicht mehr so richtig in Deutschland, sondern irgendwie mitten in Skandinavien. Dänemark ist mit der Fähre in 45 Minuten erreichbar. Auf öffentlichen Parkplätzen häufen sich Autokennzeichen aus Dänemark und Schweden.

Die Fehmarner selbst sagen, erst hinter der Brücke zum deutschen Festland liegt Europa, was für ihr Selbstbewusstsein und die Eigenmächtigkeit der Insel spricht.

Leider konnten aber auch die Insulaner nicht den Bau des Fehmarnbelttunnel verhindern, der jetzt gerade große Verkehrsprobleme verursacht und auch zukünftig die Insel wohl eher zu einer Durchgangsstraße abwertet.

Die Fehmarnsundbrücke ist Wahrzeichen und Nadelöhr zugleich.

Aber vom Meer wohnten wir richtig weit entfernt!

Obwohl wir auf einer Insel lebten, von Wasser umgeben, dauerte es im Sommer bis zu einer halben Stunde mit dem Fahrrad bis wir schwimmen konnten.

Aus Urlaub wird Alltag.

Irgendwann begann dann das Alltagsleben und wir waren schon sehr darauf gespannt, ob sich das so wie zuhause anfühlen würde, oder ob sich etwas geändert hatte.

Ob Meer und Landschaft irgendwann langweilig und Alltagsroutinen uns einholen würden.

Ob es Einkaufsläden sind, die Stadtbücherei, Cafés, Restaurants, Vereine – erstmal will alles neu entdeckt sein.

Was kann man mit dem Fahrrad erledigen?

Wozu braucht man das Auto?

Wie gestaltet sich der Weg zur Arbeit?

Es war leider sofort klar, dass ich mit dem Auto fahren musste, wenn ich nicht am Abend vorher losfahren wollte.

Und das zu einem Zeitpunkt, als wir schon darüber nachdachten, ob wir nicht auf das Auto ganz verzichten könnten.

Weit gefehlt.

Wenn man von NRW nach Schleswig-Holstein umzieht, ist das vielleicht eine der ersten Lektionen, die man lernt.

Das öffentliche Verkehrsnetz ist deutlich weniger ausgebaut. SH ist ein Flächenland mit knapp 3 Millionen Einwohnern. NRW hat 18 Millionen Einwohner.

In SH wohnen auf 1 qkm 188 Menschen, in NRW 533 Einwohner.

Die Strecke, die ich täglich fuhr, führte an der Küste entlang. Ich habe sie geliebt.

Aber in den Wintermonaten und den frühen Morgenstunden war viel Wild unterwegs, das einem auch mal gerne vor das Auto laufen konnte. Ich klopfe auf Holz, dass nie etwas passiert ist, aber Wildunfälle kommen vor.

Endlich immer Möwenschreie und ach die frische Brise, die wir in den schwülen Sommern daheim so vermisst hatten!

Wenn wir Schleswig-Holstein heute verlassen, ist es genau das, wonach sofort eine Sehnsucht entsteht. Wir möchten es nicht mehr missen.

Allerdings kann die frische Brise, insbesondere auf einer Insel, stürmisch werden. Das muss man mögen. Und die Winter sind lang.

Zu unserem gemieteten Haus gehörte ein kleines Wäldchen, in dem der Gatte Holz für den Kamin schlug.

Fasane und Rehe streiften über die Wiese.

Hinter dem Zaun wieherten Pferde.

Gänse liefen über die Straße.

Idylle pur.

Fern ab von der Zivilisation.

Wir haben es genossen und doch fehlte uns etwas und so war mit Abklingen der Pandemie die Frage:

Wie kommen wir nun in die Lübecker Bucht?