Vom Leben am Meer.

Zwischen den Jahren.

Neben dem grün-weissen Leuchtturm an der Nordermole steht ein Tannenbaum.

Ungeschmückt. Natürlich. Grün.

Je nach Perspektive klein oder groß. Wie der Leuchtturm selbst.

Die Trelche am Anfang der Mole schauen über ihn hinweg aufs Meer. Wenn sie nicht gerade mit den Vorbeigehenden sprechen, so dass man sich überrascht umschaut. Wer war das?

In der Vorderreihe drängen sich kleine Weihnachtsbuden an der Trave entlang bis zum Kreuzfahrtterminal. Deswegen legt auch das Traumschiff nicht an.

Themen, die uns hier im Dorf beschäftigen.

Oder die Frage, wie es mit den Kuppeln bei der Villa Mare weitergeht …

Die Strände sind weit und leer.

Hunde tummeln sich, die kleinen Seen der letzten Sturmflut sind versickert.

Von den Wintermenschen mit Mützen, Handschuhen und warmen Jacken sieht man gerade die Nasenspitzen. Sie wandern am Wasser entlang, Hunde tollen durch den Sand, die Möwen stolzieren über die Promenade.

Hier stehen die Zelte für den Neujahrsgarten. Zwischen Weihnachten und Neujahr wärmen Feuerstellen, Musik und Glühwein die Vorbeigehenden.

Eine Frage der Ruhe.

„Die Menschen hasten und rennen …“

Eine Freundin schrieb zu unseren Schulzeiten ein Weihnachtsgedicht mit diesen Anfangszeilen, die sich mir eingeprägt haben.

Irgendwie passen Hast und Eile nicht zu Ruhe und Besinnlichkeit. Und doch sind so viele Menschen, gerade auch zur Advents- und Weihnachtszeit, eilig unterwegs, um alles zu erledigen und an Heilig Abend erschöpft dahin zu sinken.

Auch in Unternehmen ist im November und Dezember besonders viel zu tun, die einen müssen die Jahresabschlüsse fertig machen, andere haben gar nicht zwingend etwas zu Ende zu bringen, aber viele meinen, es müsse in diesem Jahr einfach noch alles fertig werden.

„Nach Schätzung des Technologie- Forschungsunternehmens Radicatie Group wurden im Jahr 2019 täglich 128 Milliarden geschäftliche E-Mails verschickt; Berufstätige haben es im Schnitt mit 126 Nachrichten pro Tag zu tun. Neuesten Daten zufolge nehmen Menschen in den Vereinigten Staaten heutzutage fünf mal so viele Informationen auf wie 1986.“ schreiben Justin Zorn und Leigh Marz in dem Buch “Ruhe”.

Eine Entwicklung, die in einem Tempo fortschreitet, so dass wir Menschen kaum mithalten können.

Technologie, die unser Leben leichter machen soll, macht es schneller, treibt es an und uns vor sich her. Informationen prasseln in einem Tempo auf uns nieder, dass wir sie kaum bis gar nicht verarbeiten, geschweige denn, vernünftig einordnen können. Wir lesen aus Zeitnot nur noch Überschriften, die uns dann wieder in Rage bringen.

„Die große Gereiztheit“ nennt Thomas Mann in “Der Zauberberg” eine Stimmung, die die europäische Gesellschaft krank macht.

„Das Meer belohnt jene nicht, die zu beflissen, zu gierig oder zu ungeduldig sind. Nach Schätzen zu graben, beweist nicht nur Ungeduld und Gier, auch Mangel an Glauben.“ schreibt Anne Morrow Lindbergh in „Muscheln in meiner Hand“

„In ganz Europa sind schätzungsweise 450 Millionen Menschen, also etwa 65 % der Bevölkerung einem Lärmpegel ausgesetzt, der laut Weltgesundheitsorganisation als gesundheitsgefährdend gilt.“ So Justin Zorn und Leigh Marz in „Ruhe“.

„Man hat festgestellt, dass Bevölkerungsgruppen mit mittleren und niedrigerem Einkommen durch diese Formen des auditiven Lärms und Verhältnis unverhältnismäßig stark belastet werden.“

„Unser Bruttoinlandsprodukt-Wachstum beschleunigt sich in der Regel, wenn die Kriminalitätsrate steigt, die Pendlerwege länger werden und mehr benzinfressende Fahrzeuge unterwegs sind. Dagegen wird es langsamer, wenn wir uns Zeit zum Entspannen nehmen oder kein Fastfood kaufen, sondern zu Hause kochen.“

„Der Sozialtheoretiker Jeremy Land drückt das so aus: Das Bruttoinlandsprodukt misst die Geschwindigkeit, mit der eine Gesellschaft die Natur und menschliche Aktivitäten in Geldwirtschaft wandelt, unabhängig von der Lebensqualität, die sich daraus ergibt.“ heißt es in „Ruhe“.

„Ich kann mir keinen aufregenderen Ort vorstellen, als unten in der Gezeitenzone, wenn die Ebbe am frühen Morgen einsetzt und die Welt mit Salzgeruch, Wassergeräuschen und weichem Nebel erfüllt ist.“ so Meeresbiologin Rachel Carson Anfang der 60er Jahre im Ökoklassiker „Stummer Frühling“.

„Wenn das Leben für einen Augenblick Ruhe gab, schien die Reichweite der Erfahrung grenzenlos.“ ( Virginia Woolf in „Die Fahrt zum Leuchtturm“)

In sich ruhen ist ein Gefühl der Zufriedenheit.

Des Friedens.

Umso wichtiger die Frage: Was muss abwesend sein, damit ich tiefe Ruhe empfinde?

Gelesen, gesehen, gehört.

gelesen: 100 Jahre Schatzalp – Zwischen den beiden Thomas Mann Jahren ein Blick einer Schweizerin auf Travemünde.

gesehen: Bach – ein Weihnachtswunder – ein berührender Film über Familie, Weihnachten und Musik.

gehört: Günter Grass – Eintagsfliegen.

Ein (virtueller) Rundgang durch das Günter Grass-Haus in Lübeck ist übrigens ein Erlebnis!