Politischer Foto- und Videojournalismus

Wie Faschismus scheitern kann

Am 6. Februar 1934 demonstrierten rechtsextreme Gruppen in Paris gegen die Regierung von Edouard Daladier. Die Bilanz dieses Tages war verheerend: 19 Tote und Hunderte von Verletzten. Wie in Deutschland schien die Demokratie durch rechtsextreme Kräfte nicht nur bedroht, sondern fast besiegt. Wenn wir an den Faschismus in Europa in der Zwischenkriegszeit denken, denken wir fast automatisch an Länder wie Italien und Deutschland, also an Länder, in denen der Faschismus an die Macht kam. Wichtig und interessant sind aber auch Beispiele von Ländern, in denen der Faschismus im Entstehen begriffen war, aber kurz vor der Machtergreifung scheiterte.

Februar 1934 marschierten die Royalisten der Action française, die rechtsextreme Liga Jeunesses patriotes und Veteranen des Ersten Weltkriegs diszipliniert über die Champs Elysées. Die Kommunistische Partei Frankreichs reagierte mit Gegendemonstrationen und Streiks. Royalisten sangen in den Straßen von Paris Lieder, in denen die Regierung an Laternenpfählen aufgehängt werden sollte. Die Stimmung war extrem aufgeheizt und Frankreich drohte wie zuvor Deutschland im Chaos zu versinken.

Die Führung verschiedener rechtsextremer Gruppen war jedoch uneins. Am 6. Februar 1934 standen auf der Place de la Concorde plötzlich 2.000 Mann der stärksten rechtsextremen Gruppierung Croix-de-Feu nur 50 Polizisten gegenüber. Die Machtübernahme durch einen Putsch war für die Rechtsextremisten in greifbare Nähe gerückt. De la Rocque, der Chef von Croix-du-Feux, befahl seinen Männern jedoch, nichts zu unternehmen, er wolle die Republik nicht stürzen, sondern nur verändern. Am nächsten Tag sprachen die Kommunisten von einem faschistischen Putsch und die Faschisten davon, dass sie eigentlich Erfolg gehabt hätten, wenn nur De la Rocque, nun als Verräter gebrandmarkt, gehandelt hätte.

Bevor die rechtsextremen Gruppierungen in Frankreich jedoch die Schlagkraft einer NSDAP wie in Deutschland entwickeln konnten, wurden sie aufgelöst und verboten. Das Verbot wurde von Léon Blum durchgesetzt. Blum war in Frankreich Ministerpräsident einer sogenannten Volksfront, die sich gegen die extreme Rechte durchsetzte. Die Kommunisten gehörten der Volksfront nicht an, sie tolerierten sie aber. Blums Regierung gehörten auch drei Frauen an, obwohl es damals in Frankreich noch kein Frauenwahlrecht gab, eine davon war die Tochter der berühmten Marie Curie. Während der kurzen Regierungszeit Blums erhielten die französischen Arbeiter zum ersten Mal in ihrem Leben bezahlten Urlaub.

Warum sind die Ereignisse von 1934 und die französische Volksfront für uns heute von Bedeutung? Sie zeigen an einem wichtigen Beispiel, wie der Faschismus scheitern kann.

Es ist wichtig, dass sich die rechtsextremen Kräfte nicht einig sind und sich öffentlich gegenseitig als Verräter bezeichnen. In der faschistischen Terminologie bedeutet dies, dass sich keine “Fascia” bildet, d.h. kein Bündel von Rutten, die in die gleiche Richtung zeigen können. Der Begriff “Remigration” beispielsweise ist ein solcher kleinster gemeinsamer Nenner der heutigen rechtsextremen Kräfte in Deutschland. Nicht zuletzt deshalb bezeichnet Martin Sellner ihn in seinem Buch als ein wichtiges Hauptziel der rechtsextremen Bewegung. Auf diesen Begriff kann sich die Neue Rechte einigen und eine “Fascia” bilden.

Es ist wichtig, dass sich die demokratischen Kräfte zusammenschließen und eine gemeinsame Front bilden, ähnlich der Front Populaire in Frankreich. In unserer Zeit ist das der Zusammenschluss von Linken, Grünen, SPD, FDP und CDU/CSU. Diese breite Front gegen den Faschismus entsteht meines Erachtens gerade jetzt und wir sehen es an den massiven Demonstrationen in Leipzig, Köln, Berlin etc. Dabei ist es sehr wichtig, zwei Dinge im Auge zu behalten, die kritisch sind. Wie verhalten sich Parteien wie Werteunion und Freie Wähler am rechten Rand und wie ist das Verhältnis zu linksextremen Gruppen wie der Antifa. Und beide Seiten (Werteunion/Freie Wähler und Antifa) könnten zum Gelingen oder Scheitern unserer Demokratie beitragen.