Alchemie des Fiktionauten

988 Mykorhizom. Ein Projekt.

Ich musste mich erst in einem Lexikon vergewissern: Als Mykorrhiza wird eine Form der Symbiose von Pilzen und Pflanzen bezeichnet, bei der ein Pilz mit dem Feinwurzelsystem einer Pflanze in Kontakt steht. So liefern die Mykorrhizapilze liefern der Pflanze Salze wie Phosphat und Nitrat sowie Wasser und erhalten ihrerseits einen Teil der durch die Photosynthese der (grünen) Pflanzen erzeugten Assimilate.

Unter dieser Bezeichnung entstehen auf einem Blatt Papier in der Grösse 70 mal l00 cm eine Reihe von Zeichnungen, mit denen in einer Art endlosen Schleife Entitäten aus dem Reich der Phantasie zusammengefügt werden. Ein gezeichnetes Phantasieland entsteht, welches durch erzählerische Elemente ergänzt wird. Die Geschichten entwickeln sich durch das zeichnerische Tun. Ich nenne mein Werk Mykorhizom, weil es Pflanzen und Pilze in einer einheitlichen, eng in seinen Elementen verbundenen Welt darstellt.

Geboren wird dieses Tun aus der Idee, ein Netzwerk von wundersamen Welten zu schaffen, in welcher sich Realität und Fantasie begegnen. Luft, Wasser, Boden, Steine, Pflanzen und Pilze treffen aufeinander, um sich gegenseitig in ihrem Werden zu unterstützen: Farbe an Farbe, Form an Form, Strich an Strich, detailliert, in kleinen Landschaften, die sich letztendlich zu einer magischen Landschaft zusammenfügen. Ein Bild entsteht. So als würde ein Magier seine Pflanzensammlung, seine Kräuter und Pilze, sein Räucherwerk und seine Erden in einer Sammlung auf einem Tisch zusammenstellen. Dieses detaillierte Bild würde letztlich der Anschauung und dem Unterricht seiner Jünger dienen. Eine andere Art von Herbarium soll es werden, plan auf eine zweidimensionale Fläche gezeichnet, ohne die Dinge des Lebens dafür töten zu müssen durch den routinisierten Prozess des Welkens. Beschwörend wirkt dabei die Konzentration des Zeichners, sein repetitives Tun, die Einstimmigkeit der Farben und die Unmässigkeit des Formats.

Geweiht wird das künstlerische Wirken durch die Gemeinsamkeit mit anderen Menschen, die in einem Zeitraum von zwei Tagen ihre jeweiligen Vorhaben beginnen, jeder das seine, so wie ich mein Mykorhizom. Gemeinsamkeit heisst, gemeinsam musizieren, gemeinsam einem ritualisierten Ablauf folgen, die jeweilige Arbeit wertzuschätzen, sich auszutauschen, dem Produkt sein Leben einzuhauchen. Das Blatt mit dem Namen “Mykorhizom” ist jedoch nicht an einem Wochenende fertigzustellen: es benötigt Ausdauer, Zähigkeit, Einsamkeit, Meditation und Reflexion. Viel mehr als ein Jahr braucht es, bis es seine endgültige Gestalt annimmt, bis die Wesen der Natur versammelt sind in einem Vokabular der Phantasie. Aus inneren Bildern entstehen Zeichnungen, aus ihnen Texte, aus ihnen Lebendigkeit, die sich letztendlich zu einer Erzählung zusammenfügt.

Ja, es ist Zeichen- UND Schreibarbeit, die mich vereinnahmen. Aus der Ruhe und Tiefe der Rauhnächte nimmt Neues seinen Anfang. Eine eine Art selbständiges Genre entsteht, die Erzählte Illustration. Anders als bei der Illustration einer Geschichte entsteht durch den Akt des (repetitiven) Zeichnens eine Vorstellungswelt, die aus dem Gezeichneten erzählerische Gestaltung hervorbringt. Man könnt auch Zahlen einarbeiten, mit Hinweisen zu den Texten, die als Legende die Zeichnung begleiten. Kompliziere ich damit das Vorhaben? Werden Text und Zeichnung ein interessantes Ganzes? Das werden wir erst sehen.

Mehr Hinweise auf den Prozess werde ich ab heute auf Mastodon veröffentlichen. Es soll ein Lexikon entstehen, welches die Elemente der Zeichnung beschreibt.

#Mykorhizom #Fungi