Notizen eines Fiktionauten.

018 Ein Koffer voller Geschichten.

Fast hätte ich geschrieben: Ein Koffer voller Andenken. Doch Andenken sind dazu da, um zu verstauben, Geschichten jedoch sollen bewegen und erzählt werden.

Wie befürchtet, war auch der #Klettgau eine reiche Ausbeute an Geschichten. Das Neue, oft am Wegrand Aufgelesene, das mühsam Erforschte, zufällig Erlauschte und erstaunt Gesehene haben mich bereichert, aber auch von der Arbeit am Roman abgehalten. Doch sei es drum, ich stehe nicht unter einem finanziell verursachten Schaffensdruck, den Musen sei Dank! Ich kann mir Zeit lassen und vielleicht die eine oder andere aufgelesene Geschichte in den Stoff einarbeiten.

Es war eine literarische Entdeckung, die mich wohl am meisten von den Erlebnissen im Klettgau beeindruckte: die unbekannte und wohl auch in ihrer Region vergessene Schriftstellerin Ruth Blum hat es mir besonders angetan. Heute ist eines ihrer Bücher aus dem Jahr 1941 bei mir eingetroffen: Blauer Himmel. Grüne Erde. Das ist ihr erstes Werk und wohl auch eine Lebenserinnerung, die sie Jahrzehnte später in ihrem Buch Graue Steine fortsetzen sollte. Eine ganze Welt tut sich hier wohl auf in der Region um Schaffhausen, eine Welt, von der ich (familiär bedingt) immer schon mehr erfahren wollte.

Und noch zweite eine zweite Entdeckung (ich beschränke mich hier wirklich nur aufs Literarische) muss ich erwähnen: jene von Ursula Noser:

Aus der Ballade vom Ackerland
Ursula Noser

Abgeerntet
ist heute schon das Feld
Zwei Falter gestern
taumelten
durch Reifeduft und
Erdgeruch in alle Tiefen
einer Sommernacht
berauscht vom Korn
und seiner Süsse

Die Bagger werden kommen
um unser Feld
für andre Saaten umzubrechen

Wenn dies vollbracht ist
werden wir
nur noch Erinnerungen ernten

Ursula Noser entzieht sich fast komplett meiner Recherche im Internet. Schliesslich finde ich in irgendeiner Ecke des Digitalen Raums ein Geburtsdatum (1947) und den Beruf “Lyrikerin”. Sie war offenbar Kolumnistin bei der Schaffhauser Nachrichten. Und dann ist noch die Lesung ihres Gedichts abseits auf Youtube. Vereinzelt auch ein paar Onlite gestellte Diapositive im Schaffhauser Stadtarchiv, die sie in jungen Jahren zeigen. Ein Rätsel also und ein Werk, dem man offenbar detektivisch nachjagen muss. Ich möchte so gerne mehr von ihrem Ouevre lesen, wenn sie überhaupt eines hat, das veröffentlicht wurde.

Beide Dichterinnen habe ich auf meinen Spaziergängen im Klettgau entdeckt, auf dem sgn. Schaffhauser Dichterpfad, auf dem ziemlich viel schlechte, aber auch passable bis gute LyrikerInnen versammelt sind. Eine nette Idee, aber ein wenig Biographie auf einer eigenen Website hätte ich mir für die ausgestellten Damen und Herren gewünscht. Stattdessen find ich eine Trophy und viel sportlich motiviertes Blabla. Auch das sind Geschichten, allerdings moderne Paraphrasen auf das “richtige Leben” , die mich so gar nicht interessieren.

#Klettgau #GeniusLoci #Literatur