Notizen eines Fiktionauten.

023 Die Gärten des Untergangs

Die Widersprüche einer apokalptischen Welt, in der noch nicht alles entschieden ist. Zum Computerspiel “Cloud Gardens”.

Kennen sie diese Art von Bewusstseinszustand? Man träumt, das man kurz vor dem Erwachen ist und bemüht wegen der Schönheit des Traumes verzweifelt, eben NICHT aufzuwachen. Eine Zeitlang bleibt man so in der Schwebe zwischen Halbschlaf und Erwachen: bis das Traumgebäude platzt! Vergeblich versucht man nun, sich wieder in den Schlafzustand zu versetzen, doch die Realität ist stärker. Man hat sich selbst an der Nase herumgeführt.

In eine Traumwelt führt uns das Spiel: Versatzstücke von verfallenden Städten und Teile von Industrielandschaften taumeln aus dem Nebel in das Bild, schweben wie auf Wolken in einem unbestimmten Raum. Schlaftrunken muten uns Grafik und Musik an. Irgendwo muss wohl die Welt explodiert sein und sie wirft uns ihre Zerstörung in den Sinn. Aber alles ist bereits vorbei. Sie erscheint so logisch und final, diese apokalptische Welt. Wir spielen sie, als würden wir uns vorbereiten auf das Leben nach dem Ende.

Die gute Nachricht: Wir dürfen auf postapokalyptischen Trümmern Pflanzen wachsen lassen: aus diesen werden in kurzen Spielschritten Blumen und Samen, die wir wieder verwenden, um Pflanzen und Samen wachsen lassen zu können. Wir spielen Gott und Göttin. Eine uns mit uns selbst versöhnende Aufgabe: die Trümmer der Zivilisation mit Grün zu überziehen, sie in die Natur “zurückzudrücken” bis sie “verschönert” oder gar “verschwunden sind”. Die Kraft der Natur sei das, meint eine Gamerin ganz verzückt. Doch sie vergisst, dass die Dinge, die sie braucht, um Pflanzen wachsen zu lassen, selbst Debris sind. Ja, Licht und Wasser sind hilfreich, aber am Besten wirkt eben dass weitere Zumüllen der gerade geschaffenen Natur: mit Autoreifen, Dosen, kaputten Sesseln, ausgedienten Strassenschildern, giftigen Autowaracks und, und, und. Je mehr Pflanzen in die Welt gesetzt werden, je höher wachsen die Müllberge an. Ein Perpetuum Mobile. Die Spielmechanik ist perfide und stürzt uns in ein Double Bind, nur wenige Clicks von jetzt entfernt.

Und immer noch spielen wir weiter und erfreuen uns am Gedeihen der Natur, die sich vom Abfall nährt. Die Realität ist stärker. Wir werden gnadenölos scheitern an unserem Spiel.

#Gaming #Apokalypse #Solarpunk