Notizen eines Fiktionauten.

028 Post.Anthropozän, Teil 2

Zweiter Teil der Betrachtungen über die Welt nach der Apokalypse

(5) Die Welt nach der Apokalypse haben natürlich immer auch schon andere, ausserliterarische Stimmen zu beschreiben versucht. Was denn nach dem Anthropozän zu denken sei, hat sich aber selten vom Aussterben der Menschheit inspirieren lassen, sondern vielmehr von der Notwendigkeit überleben zu müssen.

Dieses Paradigma gilt natürlich auch für Donna J. Garaways Begrifflichkeit vom Chtuluzän.:

Wir dürfen den jetzigen Zustand nicht als Klarheit hinnehmen, sondern müssen versuchen, nicht in unseren Denkmustern zu verharren, sondern gegen den Klimawandel zu kämpfen und es dabei noch zu schaffen, wieder in eine Verbundenheit mit der Erde zu geraten, statt uns immer weiter von ihr abzugrenzen. Genauso wichtig wie das Überdenken von bestehenden Begriffen ist für Haraway aber auch das Handeln (...)

ist bei Rosa Kissel zu lesen.

(6) Wir aber wollen genau das Durch-Denken und Durch-Buchstabieren: die eigene Extinction, die selbstverschuldete Auslöschung. Was wird sein, wenn der Einfluss des Menschen durch seine weitgehende Auslöschung so weit zurückgedrängt sein wird, dass diese “Fehlleistung” der Natur ein für alle mal vergessen sein wird?

(7) Dennoch ist unser so gedachtes Post.Anthropozän entschieden abzugrenzen von voluntaristischen Bewegungen wie etwa VHEMT, die sich hymnisch und problemlösend gebende Bewegung für das freiwillige Aussterben der Menschheit. Sie stellt unter anderem die paradoxe und voluntaristische Frage, ob denn ein Grüner Planet nicht nur durch ein Aussterben der Menschheit zu gewährleisten sei. Sie tut, als gäbe es aus Liebe zum Planeten, eine, wenn auch sehr radikale Lösungsmöglichkeit: sich nicht mehr fortzupflanzen. Diese Illusion von Rettung von Teilen des Ökosystems durch kollektive Selbstbeschränkung ist irreführend: tut sie doch so, als wäre es nicht schon zu spät für das Ökosystem in seiner bestehenden Form. So wird behauptet, die allein die Reduzierung der Bevölkerungszahl auf diesem Planeten könne zur Rückkehr zu einem wundervollen Ökosystem verhelfen. Doch es ist nicht die alte Mär des Malthus, welche unsere Auslöschung bedingt, sondern die Folgen unseres Handelns, das schon in der Vergangenheit liegt und durch künftiges Massnahmen nur mehr auf ein niedrigeres Katastrophenniveau zurückgeschraubt werden kann.

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