035 Reise ins Nichts. Kosmologisches. LDV003
Logbuch des Vyomanauten Tyen Nomasky, Die Anomalie als Prinzip. Im Sternenjahr 2140. LdV 003
[Den Epeditionen in NMS bleibe ich schon über Jahre treu. Es ist eine Entdeckungsfahrt sondergleichen, ein ständiges Auf und Ab. Abenteuer reiht sich an Routine, Irrtum an Erfolg, Einsamkeit an intergalaktische Vertrautheit. Nichts ist eindeutig, aber einiges vorhersehbar. Man möchte gerne planen, seine Umgebung systematisch erforschen, doch wozu? Diese sonderbare Welt, ist zu gross ist, um “entdeckt” werden zu können.]
Heute eines dieser merkwürdig absurden Erlebnis gehabt, das für das Leben in der Paradoxie dieser Galaxis so charakteristisch ist. Mit dem Bau meiner landwirtschaftlichen Anlage bin ich mittlerweile so weit fortgeschritten, dass ich mir erlauben kann, ein wenig den Missionen nachzugehen, die ich mir für die unmittelbare Zukunft vorgenommen habe. Und in diesen Missionen geschieht oft das Unglaubliche!
Die Korvax, neben den Gek und den Vykeen eine der Lebensformen in der NMS-Galaxie, haben mir ganz offiziell ihr Misstrauen ausgesprochen. Bei der Abwehr einer Piratenattacke auf einen Fregattenzug habe ich im Eifer des Gefechts einen Verteidiger bombardiert. Die Wächter der Galaxie haben sich natürlich sofort eingeschaltet und mich als verkappten Piratenjäger identifiziert. Also musste ich vom Ort meiner Hilfeleistung fliehen und wohl die Schuld auf mich nehmen. Den Wächtern konnte ich gut entkommen, aber wie könnte ich das Vertrauen der Korvax wieder herstellen?
Also flog ich auf eine von ihnen dominierte Raumstation und versuchte Abbitte zu leisten. Ich konnte mir am Anfang meiner Handelskarriere einfach nicht leisten, Negativpunkte zu sammeln und das Vertrauen einer ganzen Lebensform aufs Spiel setzen. Der Korvax-Kartograph, der bei meinem Bittgang die erste Anlaufstelle war, hörte mir aufmerksam zu, neigte behutsam den Kopf und machte mir folgenden Vorschlag: Er würde mich auf eine Mission entsenden, zum Beweis meiner Glaubwürdigkeit hätte ich bestimmte Aufgaben zufriedenstellend zu erledigen. Ein von ihm auf meinen Bordcomputer übertragenes Signal würde mich seiner Aussage nach zu zu einem “anomalen Gebäude führen, wo ich ein weiteres, diesmal aber “anomales” Signal auffangen würde. Dieses wäre zu ihm zurückzubringen. Das ist alles, was ich von ihm erfahre. Zuerst war ich noch froh, als ich ihn endlich in den Weiten des Euklid-Systems auf einem kleinen, unscheinbaren Planeten gefunden hatte. Dass er aber in Rätseln sprechen würde und sich meinen Nachfragen so verschliessen würde, hätte ich nicht erwartet.
Bevor ich mich auf den beschwerlichen Weg machte, versuchte ich die kryptischen Hinweise zu entschlüsseln, bemühe meine Bordbibliothek, die über Anomale Gebäude Aufschluss geben konnte, oder zumindest einen Hinweis liefern würde. Weit gefehlt, ich konnte keine wie immer gearteten Informationen finden! Die Eingabe aller möglichen und unmöglichen Suchbegriffe führen zu nichts, aus dem ich Schlüsse ziehen hätte können. Ich war so kklug als wie zuvor.
Also flog ich los, den vorläufigen Koordinaten des Signals folgend. Nach dem Eintritt in den Orbit und dem Durchbrechen der Wolkendecke schimmerte unter mir einer dieser Wasserplaneten, die sich zwar als schöne Abwechslung im Weltraum präsentieren, einmal gelandet sich aber als Wasserwüste entpuppen und wenig Abwechslung bieten. Der Planet war ein sehr heisser, kein Wind blies, das Meer war entsprechend brackig und in ein eigentümliches Rot getaucht. Kein Land war in Sicht, nur sporadisch tauchten kleine Inseln auf, die seltsam abgeplattet waren und vegetationslos waren.
Das Funksignal schwebte über dem weiten Ozean. Die Module meines Eo-Anzugs würden stark beansprucht werden: ich mass erhöhte Radioaktivität und Temperaturen über 45 Grad. Das würde wohl ein schwieriger Planetengang werden. Aber wo landen? Dreimal umflog ich das Signal, das direkt ins Wasser zeigte, aber auch unter der Wasseroberfläche konnte ich nichts entdecken. Ich würde mein Raumschiff nicht ins Wasser setzen wollen, also landete ich ungefährt 2000 Einheiten entfernt vom angezeigten Ort auf einem kleinen Eiland, nicht viel grässer als das Landepad eines Raumschiffes. Dann stellte ich meinen Scanner auf das Ziel ein, um genauere Daten zum Fundort ablesen zu können. Das Ziel war tatsächlich draussen im Meer. Ich würde einen Tauchgang wagen müssen. Die Anomalie war wahrscheinlich unter Wasser.
Ich sprang ins Wasser, der Abbruch des Felsens, auf dem ich mit meinem Raumschiff gelandet war, war offenbar gewaltig. Unter mir befanden sich die Tiefen dieses gewaltigen Meeres. Ich schwamm los, aber schon bald bemerkte ich, dass es mir schwer fiel, die Richtung zu halten. Weder mein Scanner noch mein natürlicher Orientierungssinn schienen zu funktionieren. Ich hatte zunehmend das Gefühl, im Kreis zu schwimmen, die Richtung nicht mehr halten zu können, ich begann verwirrt zu werden. Der Sauerstoffvorrat wurde ebenso immer knapper und ich musste mich von Kelppflanze zu Kelppflanze vorankämpfen, um dort jeweils frische Luft aufnehmen zu können. Als ich merkte, dass ich immer wieder zurück zum Standort meines Schiffes zuzusteuern drohte, es dann aber im nächsten Moment wieder verschwunden war, drohte ich in Panik zu geraten. Es war, als ob ich mich in einer Spirale bewegte, die mich immer tiefer uns Unbekannte und Gefährliche hinabzog. Ich befand mich orientierungslos und zunehmend verwirrt mitten in besagter Anomalie.
Die Orientierung spielte verrückt, genauso wie der Kompass in der Nähe des magnetischen Nordpols unserer Erde. Davon hatte ich schon gelesen, wie er dort immerwieder hin und herzuspringen drohte, sich kontinuierlich um die eigene Achse drehte. Genauso erging es mir. Ich plantschte im Wasser, drohte mich zu verlieren, wusste nicht mehr in welche Richtung ich schwamm, wo sich oben und unten befanden. Der Tod stand als Möglichkeit im Raum, ein virtueller Tod zwar, aber schlimm genug, sich so verrannt zu haben.
Dann, am Höhepunkt meiner Verzweiflung, stabilisierte das Sigal mit einem Mal seine Position. Unter mir befand sich eine Wasserkapsel, zu der ich hinabtauchte und durch die Schleuse ins Innere schwamm. Ich war gerettet! Zitternd stand ich am Meeresgrund und versuchte mich zu beruhigen. Mein Puls raste, aber schliesslich gelang es mir, mich wieder einigermassen zu stabilisieren. Die Systeme arbeiteten wieder allmählich im Normalbetrieb. Ich sah mich um, entdeckte den Stationsterminal und holte mir von dort ohne Schwierigkeiten jene Software, wegen der ich dieses Abenteuer gewagt hatte.
Die Rückkehr zum Raumschiff dauerte erwartungsgemäss lange, war aber gottseidank relativ ereignislos. Trotzdem war ich froh, dass ich wieder ins Cockpit steigen konnte, um mich von diesem unsäglichen Ort zu entfernen. Die Mission war erfüllt, ich hoffte, durch diese Exkursion meine Schuld bei den Korvax abgeleistet zu haben. Als Beweis würde ich ja dieses mühsam ergatterte Stück Software vorweisen können. Es enthielt wohl meine verzweifelte Suche. Ich wusste mit einem Mal, dass es weniger um die Beute aus den Tiefen des Meeres ging, als vielmehr um den Schrecken, mit dem ich mich zu konfrontieren hatte.