Notizen eines Fiktionauten.

050 Weltuntergang, heute!

Weltuntergang! Mich wundert, dass Sie diesen Link angeklickt haben. Viele wollen ja nichts davon wissen, von der sterbenden Biosphäre rings um uns herum, von drohenden Sonnenstürmen mit Blackout oder von den auf die Erde zurasenden Asteroiden. Fröhlich verbissen das eigene Grab schaufeln, die Augen verschliessen und mit ausreichend Kapital in dieses hineinfahren, scheint unsere Vorstellung vom Glück zu sein. “Oh, du lieber Augustin, alles ist hin,” heisst es in Wien. Realitätsverweigerung eben!

Apropos Kindheit: Schon meine Urgrossmutter drohte mit der Apokalypse, etwa in Augenblicken, wenn unheilvoll ein Gewitter aufzog mit Sturm und finsteren Wolken. “Hoff ma, des is ned da Wöltuntagong!”, meinte sie mit gerunzelter Stirn und versetzte so ihren Urenkel in Panik: “Würde der Weltuntergang auch uns betreffen? Und warum gerade jetzt? Bin ich schuld daran?”

Aber eigentlich wollte ich ja nur mit dieser Einleitung darauf hinweisen, dass es Ereignisse gibt, die uns einen Vorgeschmack auf kosmische Kräfte geben, die ausserhalb unseres Einflussbereiches liegen. Eine Sonnenfinsternis beispielsweise. Ja richtig, heute zwischen 11.00 und 13.00 war über Teilen Europas eine partielle Sonnenfinsternis zu bemerken. Keine Wolke war hierorts am Himmel, also herrschten beste Voraussetzungen, die Sonne beobachten zu können. Leider hatten wir keine geeigneten Brillen, so behalfen wir uns mit Dunkelfiltern, die normalerweise auf Kameraobjektiven Verwendung finden. So stand ich auf der Terrasse und kuckte. Meine laienhaften Beobachtungen ergaben, dass sich ein dunkles Kreissegment (=Mond) von links oben nach links unten auf der Sonnenscheibe verschob. Eine komische Stimmung um mich herum, diffuses Licht auch und Stille. Das wars dann auch schon. Aber Erinnerung setzte ein!

Wer schon einmal eine “richtige” Sonnenfinsternis in der Natur miterlebt hat, weiss wovon ich rede. Man erinnere sich an die Totale Sonnenfinsternis vom 11. August 1999. Wir fuhren damals raus aus Wien, hinein ins Weinviertel und gingen hinauf auf den Hügel. Dort legten wir uns ins Gras. Glücklicherweise hatten wir uns die Sonnenfinsternis-Schutzbrillen rechtzeitig besorgt, denn durch den damaligen Sonnenberichterstattung waren diese schon bald ausverkauft. Dann warteten wir. Langsam schob sich der Mond über die Sonne. Es wurde leiser rings um uns herum, die Vögel verstummten. Die Sonne verschwand und mit einem Male platzte sie auf, die Lichtkorona rings um den Mond. Plötzlich der starke Wind, der merkbar einsetzte. Die Stimmung kippte, auch für die Menschen, die die Sonnenfinsternis in meiner unmittelbaren Nähe beobachteten. Ein wenig Beklemmung, Erwartung, Verwunderung. Automatisch fielen mir die Worte meiner Urgrossmutter ein. Mit einem Male und für wenige Augenblicke war die Selbstverständlichkeit dieser Welt gekippt. Ergriffenheit befiel uns, fast hätte man weinen mögen. Wir alle fielen aus der Zeit, einige Minuten lang. Und dann, nach Momenten ergriffener Stille, setzte der Welten-Lauf wieder ein, der durch das spektakuläre Verschwinden der Sonne am Tage angehalten worden war.

Dass die nächste totale Sonnenfinsternis über Europe erst wieder 2081 stattfinden würde, war uns damals schmerzlich bewusst. Wir würden diese mit Sicherheit nicht mehr erleben. Heute, im Jahr 2022 will ich mir 2081 gar nicht vorstellen, wegen dem Weltuntergang, sie wissen schon, dem selbstgemachten.