Notizen eines Fiktionauten.

069 Die Wörterzähler

Erst kürzlich wurde ich von nanowrimo aufgefordert, ein Online-Feedback über meine Schreiberfahrungen in der November-Challenge abzugeben. Dabei ist mir unangenehm aufgefallen, welch riesiges TamTam von den Betreiber:innen um NaNoWriMo veranstaltet wird. Um sich selbst dreht und wendet sich die Propaganda eines typisch us-amerikanischen Beteiligungskarussells, das sich als Selbstermächtigung von Autor:innen feiert. Und natürlich: Geld muss gesammelt werden, nicht zu knapp. Über 1.4 Mio. USD wurde als Spendenziel angegeben und bis dato über 1,2 Mio. erreicht. Vor allem die Firmensponsoren wollen Reichweite und Beteiligung. Das benötigt den ständigen Trommelwirbel, die Kakophonie unentwegten Lärms rund um den Mammon. Eine ungesunde Torte mit gewaltigen Mengen an Zuckerguss ist NaNoWriMo geworden, welche man sich zum Geburtstag schenkt. Igitt! Nicht mein Stil.

Doch ich will nicht weiter polemisch sein, die Verdienste der Platform klein reden und mich undankbar zeigen. Denn das eigentliche Ziel hat diese Form des Wettbewerbs bei mir erreicht. Ich bin dank der November Challenge in einen routinierten Schreibfluss gekommen und habe umfangreiches Textmaterial produziert. Der Wettbewerb mit anderen war wichtig, die Selbstvergewisserung über den Schreibfortschritt dabei sehr erhellend. Das Versprechen, mit diesen 50.000 Wörtern in einem Monat ein Buch zu produzieren allerdings, das ist eine doch sehr naive Zumutung gewesen. Mich aber hat dies nicht gestört, ich wusste dies ohnehin.

Nichtsdestotrotz will ich auf dieser Plattform nicht mehr weiterarbeiten, zu grell, zu bunt, zu marktschreierisch kommt sie daher. Der dabei entstehende Lärm tut mir nicht gut, ich brauche Ruhe, um in meine Romanwelten zu versinken und sie auszugestalten. Dies steht nun in den kommenden Wochen an. Schon zu Beginn des November habe ich geschrieben, dass es ja gar nicht so schwer sein müsste, selbst ein gemeinsames Schreiben auf Mastodon mit selbstbestimmten Zielvorgaben zu organisieren. Als Arbeitstitel habe ich mir damals etwa vorgestellt: “Monat der bunten Schreiberlinge (MOBUSCH)” oder “Masochisten für einen Monat (MAFUMO)”. Mit einigem Brainstorming käme sicher ein guter Titel daher! Braucht es dann nur noch die betreute Plattform. Aber auch diese steht zur Verfügung.

In den kommenden Tagen und Wochen, die ich weiterhin mit meinem Roman “Allaine” und gelegentlichen MiniEssay|s verbringen werde, möchte ich weiterhin meinen Schreibfortschritt auf einer Platform eintragen. Ich weiss, dass eine derartige Vorgehensweise meine Schreibdisziplin nur fördern kann. Also suchte ich nach Alternativen und wurde fündig: das Projekt von David S. Gale mit dem Namen Write Track Cloud. Ein sauber aufgeräumter und beruhigender Online Word-Tracker, der ohne jede Werbung daherkommt, auch ohne “Expert:innen”, die einem in den eigenen Schreibprozess hineinreden wollen. Doch lassen wir Herrn Gale selbst zu Wort kommen. Ihn habe bei dieser Aktivität gestört, dass beim Herunterbrechen eines Schreibziels von beispielsweise 50.000 Wörtern pro Monat, bei NaNoWriMo jeder Tag gleich behandelt werde. Doch Schreibziele zu setzen, sei keine statistische Aufgabe (nach dem Schema: 50.000 Wörter:30 Tage=1.667 Wörter/Tag), sondern eine der Einschätzung, wie jeder einzelne Tag in etwa verlaufen könnte und welche Schreibziele deshalb erreicht werden sollen. Einmal schreibt mensch mehr, einmal weniger, und das aus unterschiedlichsten Gründen: persönlichen, privaten, beruflichen und sonstigen. Deshalb verwendet Gale die Möglichkeit der Gewichtungen von Tagen (weight). Die durchschnittliche Wörteranzahl eines Tages (=100%) kann angepasst werden: Tage zeichnen auch andere Prozentzahlen auf und man beendet diesen in der Gewissheit, sein persönliches Soll erreicht zu haben. Es muss nicht immer der “Tagesschnitt” sein. Einmal mehr, einmal weniger, begleitet von einer klaren Übersicht über den eigenen Schreibfortschritt.

Angereichert ist write track mit zahlreichen Features, welche NaNoWriMo um nichts nachsteht, durch seine Klarheit und Eindeutigkeit sogar übertrifft. Das Instrument kann stand alone benutzt, die Länge und Intensität der Challenge dabei frei gewählt werden. Aber man kann diese Challenge auch mit “Freunden teilen”. Ebenso können Gruppen gebildet werden, um sich untereinander auszutauschen und hat damit die Möglichkeit, in seiner Sprache zu kommunizieren (die Plattform ist generell in englischer Sprache). Es gibt downloadbare Banners, eine Kalenderübersicht und eine Editierfunktion für selbstkreierte Challenges. Insgesamt ein sehr gutes Instrument, das zumindest für mich keinen Wunsch offen lässt. Wer aber auf einen bunten, geschwätzigen und weithin bekannten Wort-Tracker reflektiert, der mag sich wieder NaNoWriMo zuwenden.

Also habe ich mich entschlossen, meine Texte zum Figurenkabinett meines Romans in einer von mir zurecht gebastelten Challange bis Ende Jänner 2023 fertigzustellen. Davon berichte ich regelmässig auf tinderness@Mastodon. Wer write track, so wie ich, für gut befindet und sich dort gerne in einer Gruppe versammeln will, der:die sei nach dem Einloggen auf der Plattform auf die Fediverse Writers verwiesen.

#NaNoWriMo#Schreibarbeit #WriteTrack