062 Romanbeginn – NaNoWriMo, Tag 10
Ich denke, dass jeder, der sich seine Buddy Liste auf NaNoWriMo ansieht, von Neugier geplagt ist. Wir wissen zwar, wie wir in der Zeit liegen, wissen, wieviele Wörter Andere geschrieben haben, wissen auch, was das für unseren weiteren Schreibfortschritt bedeutet. Aber wir hätten doch so gerne gewusst, was die Anderen schreiben, in welcher Güte, in welchem Stil, mit welcher Dynamik und Eleganz, und vor allem: mit welcher Handlung!
Niemand aber öffnet seine Türen und lässt uns sein entstehendes Werk beschnuppern. Nein, da sind wir heikel, da müssen wir nochmals drüber gehen, da muss ausserdem das Lektorat den Rotstift angespitzt haben. Das muss gewisse Weihen absolviert haben. Vorher ist da nix.
Wir wollen heute mit diesem Tabu brechen und unseren Roman öffnen, der da direkt neben den vielen Zettelwerk mit den Notizen liegt. Ein Stück Beginn soll es sein, ein wenig neugierig will es machen, ohne sich zu weit hervorzuwagen. Aber zu guter Letzt werden da ohnehin die Leute sein, die kritisieren, rezensieren, schlichtweg: es besser wissen. Für diese aber ist es nicht gedacht!
Der Roman setzt ein in einer nicht allzu fernen Zukunft auf der Erde. Nur wenige Jahre vor dem Einsetzen der Handlung hat das erste Raumschiff nach Alpha Centauri die Erde verlassen. Die Erde ist ohnehin dem Untergang geweiht. Längst hat das Post-Anthropozän begonnen. All unsere Aufmerksamkeit ist bald schon auf die Überlebenden in einem fernen Sternensystem gerichtet.
Allaine. Jenseits der Grenze. Roman. 2022
Es begann damit, dass sich niemand mehr an die Stille von Wäldern erinnern konnte, jene Stille, die in den Ohren schmerzt und die das sanfte Schlagen der Wellen am Strand zu Musik verwandelt. Es war die Stille der in sich gekehrten Waldbewohner, die leise mit dem Hintergrund verschmolzen. Keine Erzählungen gab es mehr darüber und keine Erinnerung daran.
Nun war überall das Geräusch der Emanation zu hören, jenes sanfte Surren, mit dem die Bewohner von Geburt an vertraut waren. Das elektromagnetische Feld und seine Spannung waren zu einer neuartigen Luftbewegung geworden, eine Art Standby Geräusch, das alles und jeden miteinander verband. Es floß aus dem System hochkomplexer Produktionsanlagen, die an sicheren Orten errichtet worden waren. Über ein weit gespanntes Netzwerk durchzog die Emanation das Gemeinwesen wie früher ein Pilzmyzel den Boden. In seinem Rauschen glitt das Leben dahin, ohne Vergangenheit, ohne Zukunft, ohne nennenswerten Widerspruch. Die Emanation wuchs aus sich selbst, sie war ewig. Sie versetzte ihre Subjekte in eine Art Trance, ließ sie die Dinge rings um sich wie hinter einer Nebelwand verschwinden. Auch weil nichts anderes übrig blieb: allmählich hatte man begonnen, der Emanation zu vertrauen und nichts mehr blieb, was von ihr nicht bestätigt wurde. So verging mit der Zeit die Alte Welt. Die Neue Welt war geboren und Zufriedenheit herrschte bei allen.
Nach und nach war alles war gut geworden. Kriege, Pandemien, Verfolgung und Tod waren keine Ereignisse mehr, vor denen man sich fürchten musste. Auch die Angst vor der Zukunft und die ihr auch innwohnende Hoffnung schien vergessen. Die Klimakatastrophen hatten sich überlebt, das Post Anthropozän war angebrochen. Man vergaß die Vergangenheit, ebenso wie das Glück, die Trauer und die Freude. Jeder war sein eigener Gott und jedes Heim ein Tempel der Vollkommenheit. Das es Anderes gab, das wußten nur wenige. Davon wollen wir erzählen.