Verarbeitungstexte über Trauma, Trauer und die Entdeckung vom Eigenen.

Tod

In einer einzigen Sekunde
erschüttert der Schock mein ganzes Ich.
Meine Seele.
Meinen Körper.

Der Schock dringt in jede Faser
und jede Zelle meines Körpers ein
und steckt darin fest.
Wie kann ich davon erlöst werden?

Die Last ist zerstörend.

Der Schock verändert meinen Körper.
Er lässt meine Haare ergrauen
und ausfallen.
Er hinterlässt ein dunkles Grauen,
das mir den Appetit nimmt.

Eine Hilflosigkeit.
Eine Machtlosigkeit.
Hilflose Wut.

Da ist nichts mehr.
Sie ist weg.
Ab heute für immer.
Das Ende ist unfassbar.
Schwarz und tief.

Und leer.

So unwiderruflich endgültig.
Alles Leben, alles Mühen,
alle Selbstfürsorge,
alle Liebe abgewürgt.
Gewaltsam beendet
und für nichtig erklärt.

Alle Beziehungen laufen ins Leere.
Hängen über dem Abgrund,
abgerissen.

Verloren, verzweifelt. Verlassen.

Sie hat uns verlassen.
Absichtlich.
Ohne uns zu fragen, ob auch wir
die Beziehung beenden wollen.

Sie hat ihre Kinder im Stich gelassen.
Hat sie verdammt
zu Trauma und Schmerz.
Zu einem unausfüllbaren,
immer weh tuenden
tiefen, bodenlosen Loch,
das nie weggehen wird.

Da, wo sie war, ist Leere.
Die unaushaltbare Leere, die sie fühlte,
hat sie in ihrem ungeheilten Schmerz
ihren Liebsten wiederum weitergegeben,
in einer noch grauenvolleren,
noch unfassbareren Art.
Der Schmerz, den sie fühlte,
hat sie jetzt uns zugefügt.

Uns, die wir leben.
Uns, den Lebendigen,
die bleiben und nicht aufgeben.
Die kämpfen um Heilung und Liebe.
Um Lebendigkeit.

Und Stück für Stück
wird der Schock mit den Tränen
aus dem Körper herausgeschwemmt.
Ganz langsam.
Und nicht vorhersehbar.
Immer wieder.

Ganz unerwartet
passiert es heute Morgen.
Die Erinnerung an sie
wird an einem unvorhergesehenen Ort
wachgerufen.
Und die Trauer erkämpft sich ihren Platz,
ob es passt oder nicht.
Für einige Stunden
kommt der Schmerz unaufhaltbar
an die Oberfläche.

Tränen. Weinen. Sehnsucht.

Bis irgendwann
sich der Körper und die Seele
wieder leicht anfühlt
und der Schmerz
sich zu einer tragbaren Intensität entwickelt hat.

Der Schmerz wird immer zu mir gehören.
Er ist jetzt Teil von mir.
Es ist etwas dazugekommen,
ungewollt,
womit ich leben muss.
Es muss integriert werden.

Ich bin ich.
Der Schmerz gehört nicht ihr.
Er wird nicht von ihr bestimmt.
Nicht sie verarbeitet den Schmerz,
sie, die sich geweigert hat,
ihren eigenen Schmerz zu verarbeiten.

Der Schmerz gehört mir.
Und ich verarbeite ihn
in meinem ureigenen Ich.
Ich mache ihn mir zu eigen
und lasse mich heilen.

Auch diesen zweiten Schmerz
über diesen zweiten Verlust.

Genau wie den ersten.

#Tod