#8 King in the North
“We don´t like each other, but we like tourists”, scherzt der nordirische Busfahrer Lindsay via Headset-Mikro über die leicht säuselnde Anlage im Reisebus. Bei einer Tour via Belfast, die auch Original-Drehorte der HBO-Serie “Game of Thrones” streift, wird die andauernde Rivalität in Teilen der Bevölkerung Nordirlands mehr als sichtbar. So sind die Ortschaften, Küstenstädtchen und Landstriche entweder mit der grün-weiß-orangenen Irland-Flagge oder der nordirischen rot-weißen Flagge mit der “Red Right Hand” markiert, die auch Nick Cave schon besungen hat. Der Ursprung des Nordirland-Konflikts geht weit zurück und liegt im Jahr 1922, als es nach 3 Jahren Krieg zwischen der Irischen Republik und dem Vereinigten Königreich Großbritannien zur Teilung der irischen Insel kam. Das protestantisch geprägte Nordirland ist seither Teil des Vereinigten Königreichs, während der mehrheitlich katholische Teil im Süden als Republik Irland ein eigenständiger Staat wurde. Der Konflikt ist also nicht nur religiös, sondern auch politisch. Der Song “With or without you” der irischen Band U2 ist auch das Lieblingslied unseres Busfahrers. Er meint damit aber die genauen Abfahrtszeiten nach den WC-Pausen während unserer Tour. So besuchen wir die Baumallee „The Dark Hedges“, die den Schauplatz für die „Kingsroad“ bietet. Die vereiste, alles überragende “Wall”, die im Norden die Sieben Königreiche vom “Freien Volk” oder den “Wildlings” trennt, ist in Wirklichkeit eine kleinere begrünte Klippe, aber dennoch beeindruckend. “Der Vergleich zwischen den historischen irischen Königreichen und den fiktiven Reichen in „Game of Thrones“ bietet faszinierende Einblicke in Machtstrukturen, gesellschaftliche Organisation und kulturelle Aspekte beider Welten”, spuckt mir ChatGPT aus. Auch die keltische Mythologie mit Geschichten über Feen, Drachen und Helden schlägt sich im als Grundlage dienenden Werk von George R. R. Martin, “A Song of Fire and Ice”, nieder. Nicht zu verwechseln mit John R. R. Tolkien, der “The Lord of the Rings” oder “Herr der Ringe” im Westen Irlands, im Burren, geschrieben hat. Was manche Insider vielleicht auch noch mit Irland verbinden, ist Gaelic Football. Ich habe auf jeden Fall große Augen gemacht und mir das Finale Galway gegen Armagh im Fernsehen angesehen. “You know nothing, Jon Snow!” Kurz beschrieben: Es wird mit Armen und Beinen auf American Football-Tore mit eingezogenen Fußball-Toren samt Goalie gespielt und ist eine Mischung aus Rugby und Fußball, wie wir ihn kennen. Es gibt auch noch die gälische Sportart Hurling – gleiches Spielfeld, dafür wird der Ball mit einem großen Kochlöffel gedribbelt. Spektakulär! In einem knappen und spannenden “All-Ireland Football Final” gewinnt dann das nordirische Armagh gegen das irische Galway in Dublin. So ein friedliches Miteinander bzw. Gegeneinander wäre bis in die 90er – Jahre wohl nicht vorstellbar gewesen, als die Bombenanschläge der IRA – “Irish Republican Army” den Konflikt wieder in das öffentliche Bewusstsein brachte und uns den davon handelnden Song “Zombie” der Band The Cranberries bescherte. Der ehemals politische Arm der IRA, die Partei “Sinn Féin”, die nach wie vor für eine Wiedervereinigung von Irland & Nordirland eintritt, ist zwischenzeitlich sogar stimmenstärkste Partei Irlands. Deren Langzeitvorsitzender Gerry Adams ist mir schon vor 30 Jahren aufgefallen, er handelte mehrere Friedensabkommen aus, was zu einer wichtigen Beruhigung des anhaltenden Konflikts führte. Eine schillernde Persönlichkeit, die sein Lebensprojekt, vom bewaffneten Kampf der IRA hin zum Frieden, ihrer Wandlungsfähigkeit verdankt. Mit der Übergabe des “Sinn Féin” – Parteivorsitzes an Mary Lou MacDonald zog sich Gerry Adams dann vor einigen Jahren aus der Politik zurück. Ähnlich wie bei der erfolgreichsten Serie aller Zeiten ist das Finale, ich meine die letzte Staffel, etwas verhunzt. Die Wiedervereinigung von Irland & Nordirland bleibt weiterhin ein großirischer Traum, bei “Game of Thrones” ist das Ende blutig und soll hier offen bleiben. Nur eines: Erfreulicherweise übernimmt die Tochter von Ned und Catelyn Stark, Sansa Stark, den Norden und deren Sitz “Winterfell”. Der Norden bleibt sozusagen stark & unabhängig und erhält wie Nordirland in der wirklichen Welt einen Sonderstatus.
© Helen Sloan/HBO